Kann man aus Scheiße ein Messer basteln?

Hab grad ne Studie gelesen. Ist schon ein paar Monate alt und ja, andere haben auch schon drüber berichtet. Egal. Die meisten haben’s eh nicht mitgekriegt (ich auch nicht).
Also. Die Sache beginnt mit Literatur. Die folgende Passage stammt aus dem Buch „Shadows in the Sun“ des Anthropologen Edmund Wade Davis. Ich habe mir die Freiheit genommen, die Passage aus dem Englischen zu übersetzen:

“Es gibt den bekannten Bericht eines alten Inuk, der sich weigerte, in die Siedlung zu ziehen. Gegen die Bedenken seiner Familie beschloss er, auf dem Eis zu bleiben. Um ihn aufzuhalten, nahmen sie ihm all seine Werkzeuge weg. Also verließ er inmitten eines Wintersturms ihr Iglu, defäkierte und formte aus seinem Kot eine gefrorene Klinge, die er mit etwas Spucke schärfte. Mit diesem Messer tötete er einen Hund. Aus den Rippen fertigte er einen Schlitten und aus der Haut das Geschirr für einen weiteren Hund. So verschwand er in der Dunkelheit.“

Nur für den Fall, dass der Text dies ungeklärt lassen sollte: Da hat jemand seine eigene Scheiße zwar nicht in Gold, aber doch immerhin in ein funktionstüchtiges Messer verwandelt. Kann man das glauben?

Dies fragt sich nicht allein der Laie, dem es wie mir an Erfahrung mit dem Leben im Eis gebricht. Auch ein paar amerikanische Anthropologen aus Ohio spürten Zweifel. Sie machten sich auf die Suche. Woher hatte Davis seine Story? Nun, er hatte sie von einem Inuk, der behauptete, es habe sich bei besagtem Greis um seinen eigenen Großvater gehandelt. Doch selbst Davis war sich nicht ganz sicher, ob der Erzähler ihn mit der Story nicht „auf den Arm genommen“ habe.

Völlig einzigartig ist die Geschichte mit dem Kackedolch sicherlich nicht. Der dänische Polarforscher Lorentz Peter Elfred Freuchen hat in den 1950er Jahren eine ähnliche Anekdote niedergeschrieben. Er behauptet darin, sich einmal mithilfe eines selbstgefertigten Meißels aus einer Schneehöhle befreit zu haben. Den Meißel hat er … naja, man ahnt schon, woraus er ihn gemacht hat:

“Ich hatte Stuhlgang und es gelang mir, aus den Exkrementen ein meißelartiges Werkzeug zu formen, das ich durchfrieren ließ. Schließlich beschloss ich, meinen Meißel auszuprobieren und die Sache funktionierte.“

Die Forscher aus Ohio waren aber immer noch skeptisch. Ein Meißel ist kein Messer, schreiben sie. Dagegen lässt sich wenig sagen. Den wissensdurstigen Forschern blieb keine Wahl: „Wir machten ein Experiment, um herauszufinden, ob ein solches Messer funktioniert oder nicht.“ Und so ging die Sache los:

„Um das nötige Rohmaterial für die Messerherstellung zu gewinnen, stellte einer von uns seine Ernährung um und nahm acht Tage lang eine proteinreiche Kost zu sich, die reich an Fettsäuren war, wie es den Gepflogenheiten in der Arktis entspricht. (…). Die Sammlung des Rohmaterials begann am vierten Tag und geschah ab dann regelmäßig für die fünf folgenden Tage.“

Danach formten die emsigen Anthropologen mehrere Messer aus dem Dung. Einige pressten sie in keramische Messerformen, andere modellierten sie von Hand. Die einzelnen Exemplare landeten alsdann in der Kühltruhe (-20 Grad). Kurz vor dem Versuch holte man die Messer aus der Truhe, schärfte sie mit Eisenfeilen und legte sie danach in Trockeneis, um sie nochmals durchzukühlen.

Jetzt begann der eigentliche Versuch. Die Wissenschaftler hatten sich beim Schlachter Schweinehaut besorgt und die Lappen tüchtig gekühlt. Würden die Messer schneiden?

„Weder die Proben aus der Messer-Form noch die handgefertigten Messer waren in der Lage, die Haut zu durchschneiden. Statt die Haut zu zerteilen, schmolzen die Klingen beim ersten Kontakt und hinterließen Spuren von Fäkalien, obwohl die Haut gut gekühlt war.“

Um ganz sicher zu gehen, bastelten sich die Forscher noch weitere Messer – diesmal aus der Produktion eines anderen Team-Mitglieds. Der Mann hatte sich jedoch an „eine eher westliche Ernährungsweise“ gehalten. Das Ergebnis war aber ebenso desaströs.

„Aus purer Neugier versuchten wir uns noch am fettigen Unterhautgewebe. Selbst mit Mühe gelangen uns lediglich ein paar sehr schwache Schnitte. Wieder schmolzen die Klingen schnell und lösten sich auf.“

Nicht ohne Enttäuschung notieren die Forscher: „Wir haben unseren Messern wirklich alle Chancen auf Erfolg gegeben. Aber sie haben nicht funktioniert.“

Dies notiere auch ich heut‘ in mein Tagebuch: Messer aus Scheiße schneiden nicht! Angesichts des Klimawandels ist das aber wohl eh: nutzloses Wissen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert