Wunder der Natur: Der Fisch & die Ölflitze
Gerade hat Wolfgang mich dafür gerügt, dass auf meinem Blog nix mehr los ist. Recht hat er. Hier also mein jüngster Erkenntnisgewinn, den ich gerne mit Euch teilen will. Ich verdanke ihn einem Fisch wie dem hier im Bild. Wer kennt ihn? Ich kannte ihn nicht. Und ich wusste auch nicht, was einem widerfahren kann, wenn man ein Stück davon verzehrt.
1. Akt: Der Einkauf
Hab viel gearbeitet und will mich belohnen. Unten an der Elbe gibt es einen Laden, der besondere Lebensmittel vertreibt. Sachen, die man anderswo nicht bekommt. Die Ware ist entsprechend teuer. Dort steh‘ ich vor der Theke, die Räucherfisch präsentiert. Da! In der Ecke liegen appetitliche Stücke. Davor eine Tafel: „Buttermakrele“. Hab‘ ich noch nie gehört. Interessant. Ich erwerbe eines der Stücke und trag’s zufrieden nach Hause.
2. Akt: Die Wissenschaft
Ungestillte Neugier ist wie Hunger. Nur schlimmer. Also im Internet nachsehen: Was hat es mit diesem unbekannten Fisch auf sich? Es gibt tatsächlich wissenschaftliche Studien über Lepidocybium flavobrunneum. Die interessanteren von ihnen handeln nicht von Körper oder Lebensweise der Buttermakrele (sie besitzt z.B. keine Schwimmblase), sondern von ihren Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Die Autoren Ka Ho Ling, Peter D. Nichols und Paul Pui-Hay But berichten von einem Phänomen namens „Keriorrhea“. Soll gar nicht so selten auftreten. Kenn ich auch nicht. Man weiß überhaupt das Allermeiste gar nicht. Ich lese also weiter.
3. Akt: Die Ölflitze
Die Forscher verstehen unter Keriorrhea „the pathological symptom of involuntary passage or leakage of oil, or actually wax esters, through the rectum“. Aha. Man könnte die Sache also mit „Ölflitze“ übersetzen. Es handelt sich bei besagtem Auswurf, wie ich lese, um ein „orangefarbenes bis grünlich-braunes“ Öl. Das Internet sei voll mit persönlichen Erfahrungsberichten „peinlicher Öldurchfälle nach dem Verzehr von Fisch“. Einige Länder haben die Einfuhr von Buttermakrelen deshalb längst verboten. Japan, Italien, Australien und noch ein paar mehr.
4. Akt: Der Selbstversuch
So. Hunger. Außerdem: Zeit für einen Selbstversuch. Hat die Wissenschaft recht? Oder will man mir einfach einen schmackhaften Happen madig machen? Ich hab im hippen Brotladen ein leckeres Brot gekauft. Dinkel-Kartoffel-Kruste oder so ähnlich. Das Brot trocknet nicht so schnell aus wie die übliche Roggenmische. Ich schneide mir andächtig eine Scheibe herunter, bestreiche sie mit Butter und packte etwas von dem Räucherfisch obendrauf. Mhhhh. Lecker. Es schmeckt alles so gut, dass ich mir noch eine zweite Portion gönne. Herrlich. Wie kann etwas so Köstliches schädlich sein? Die Forscher haben keine Ahnung!
5. Akt: Der Tag danach
Haben sie doch.
6. Akt: Der Tag nach dem Tag danach
Ui. Die Forscher haben immer noch recht. Und nicht zu knapp!
7. Akt: Was wir daraus lernen
Zweierlei. Erstens: Mehr Respekt vor der Wissenschaft. Zweitens: Mehr Respekt vor Buttermakrelen. Man darf sie eigentlich nur besonderen Gästen darbieten – und auch nur dann, wenn diese für den Folgetag eine längere Autofahrt auf dem Zettel haben. Man serviert nicht nur einen wohlschmeckenden Fisch, sondern schenkt ihnen damit auch ein paar unvergessliche Stunden.
Wir mussten vor 4 Jahren auch während und nach einer Cuba-Reise mit einer besonderen und bei uns kaum bekannten Form der Fisch-Vergiftung Bekanntschaft machen – Ciguatera. https://de.wikipedia.org/wiki/Ciguatera
Wir konnten die neurologischen Symptome erst nach ausgiebiger Internetrecherche diesem Krankheitsbild zuordnen, und dies auch nur weil sie bei uns beiden, meinem Mann und mir, auftraten.
Kannte ich auch noch nicht. Klingt noch zwei, drei Nummern heftiger als der Buttermakrelen-Zaubertrick.
Ja vor Ort hat uns erstmal der Durchfall lahm gelegt, den wir gleich dem Fisch zuordnen konnten, da unsere Tochter, als Vegetarierin nicht betroffen war. Ich hatte dann schon dort eine unerklärliche Abneigung schwimmen zu gehen und das an einem absoluten Traumstrand. Da das Wasser fast Badewassertemperatur hatte und es auch sonst sehr warm war, habe ich die Kälteempfindlichkeit an den den Finger und am Mund noch nicht gemerkt. Das pathognomonische Symptom, dass das Anfassen von kühlen Gegenständen direkt schmerzhaft ist, fiel uns erst zuhause auf und hat uns letztendlich geholfen, das ganze zu diagnostizieren. Wäre nur einer von uns betroffen gewesen, und hätte versucht dies abzuklären, wäre dies schwierig geworden, da diese Vergiftung auch unter Ärzten recht unbekannt ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass man da erstmal mit der Verdachtsdiagnose multiple Sklerose konfrontiert wird. Das ganze ging so etwa 2 Monate, aber es gibt deutlich schlimmere Verläufe. Wir hatten noch Glück, dass wir durch ein Missverständnis nur eine Portion von dem Fisch bekommen haben, die wir uns geteilt haben.
Klingt wirklich schlimm. Und ich denke dabei: Ihr habt ja vermutlich nicht den ganzen Fisch bekommen. Wäre interessant, wer den Rest gegessen hat – und mich welchen Folgen. Und sag mal: Am Ende hört es einfach von selbst auf? Oder braucht man eine bestimmte Behandlung, damit es endet? Bei meiner – natürlich viel harmloseren – Buttermakrele hat der Zauber so um die 40 Stunden gedauert und danach war ich relativ schnell „back to normal“. Wie war das bei Dir?
Oha.
Besten Dank für die Recherche und das Ausprobieren. Ich wäre bei dem Namen ‚Buttermakrele‘ auch versucht gewesen … nun nicht mehr so.
Yup. Hatte ich auch schon. Während ner Wanderung. Peinlich.
Aber immerhin gnädige Umstände, so die Wanderwege denn durch waldreiche Landstriche führten.
DurchFaelle wird man klug!
Lustig. Und wie bei Corona.