
Donald Trump schottet die USA vor Einreisen aus Europa ab. Bei der Begründung habe nicht nur ich große Ohren gekriegt: Die EU hat versagt – anders als die US-Administration. Außerdem handle es sich um einen „foreign virus“. Corona ist ein Ausländer, sozusagen ein illegaler Einwanderer. Ein „hochaggressiver“ noch dazu.
Natürlich möchte man seine Scherze drüber machen. Das haben andere aber schon besser hingekriegt, zum Beispiel Trevor Noah und sein Team. Was haben wir gelacht.

Mich persönlich hat dabei etwas anderes interessiert. Und zwar dies: Vor knapp zwei Jahren habe ich die große ICA-Konferenz in Prag besucht. Das ist das jährliche Welttreffen der Kommunikationsforscher. Bei den meisten Vorträgen, die ich dort gehört habe, ging’s um „Krisenkommunikation“. Die wiederum zerfällt in zwei Teile.
1. Wie kommuniziert man als Staat, dass die Bevölkerung bedroht ist? Dass ein Krieg droht, ein Hurricane sich der Ostküste nähert – oder, naja, dass eine neue, hochansteckende Krankheit gerade dabei ist, sehr viele Menschen umzubringen?
2. Was tun, wenn man als Firma mit Dingen in der Zeitung steht, die den eigenen Ruf massiv schädigen. Wenn es aus dem Netz Unrat auf einen regnet? Welche Strategien stehen einem da zur Verfügung?

Man sieht sofort: Das sind zwei sehr unterschiedliche Sportarten, die nach völlig anderen Regeln gespielt werden. Über den zweiten Punkt habe ich später eine größere Geschichte für brand eins geschrieben. Es gibt für derlei Krisen eine Art Skript. Dieses folgt der so genannten „Situational Crisis Communication Theory“ von Prof. Timothy Coombs. Einer der Vorschläge, die Coombs macht, lautet: Finde einen, dem du die Schuld in die Schuhe schieben kannst! Die meisten Vorträge in Prag orientierten sich an Coombs Drehbuch. Seine Theorie wurde bestätigt, zurechtgefeilt, korrigiert und in bestimmten Kontexten (etwa in Ostasien) als komplett nutzlos verworfen.
„Doch nicht alle in Prag vorgestellten ICA-Studien waren lediglich Verfeinerungen von Coombs Theorie. Einige Forscher stellten die Thesen des Krisen-Papstes auch offen infrage. Etwa der knorrige, aber angesehene Kommunikationsforscher Michael Kent von der australischen University of New South Wales. Er verzichtete in seinem Vortrag praktisch komplett auf empirische Analysen und verstieg sich zu einer Wutrede gegen das „Scapegoating“, also die Praxis, in Krisen einen Sündenbock zu definieren. PR-Leute seien inzwischen „noch schlechter beleumundet als Politiker“, polterte Kent. „Wir müssen aufhören, die Sündenbock-Strategie an den Unis zu lehren. Sie verletzt sämtliche ethischen Standards. Der Punkt muss aus all unseren Lehrbüchern verschwinden!“ Er selbst werde in den nächsten Jahren jedenfalls „alles dafür tun, dass diese schlimmen Dinge nicht weitergehen“.
Trumps Begründung für den Reisestopp pfeift auf die Tatsachen. Man kennt das schon. Mehr noch: Er verwechselt die eigene Rolle. Wenn man einen Staat repräsentiert, dient Krisenkommunikation dazu, die eigene Bevölkerung zu schützen. Was der NDR mit Prof. Christian Drosten von der Charité macht, ist in dieser Hinsicht ganz unglaublich gut. Um fair zu sein: Anthony Fauci macht das hier in den Staaten auch gut. Trump dagegen tut so, als würde er ein Pharmaunternehmen leiten, das vergiftete Tabletten in Umlauf gebracht hat und jetzt dringend jemanden braucht, den man dafür aufhängen kann. Er leitet sein Land so, als wär’s eine Firma. Seine Firma. „A foreign virus“ – das ist Krisenkommunikation aus der falschen Welt.