Metzger’s Michigan Monday #2

Letzte Woche habe ich aktiv an einem Sportereignis teilgenommen. Und zwar. Haben die Leute aus Nickis Institut für so ne Art bunte Liga im Softball gemeldet und waren dankbar für Unterstützung. Softball ist wie Baseball, nur großzügiger.
Zum Beispiel ist die Keule, mit der man den Ball schlägt, nicht aus Holz, sondern aus Aluminium, was den Schwung erleichtert. Ich hab mir also so einen Schläger in die Hand drücken lassen und mein Glück versucht. Der Mensch, der einem den Ball zuwirft, spielt für die andere Mannschaft. Man kriegt den Ball deshalb selten so, wie man ihn gerne hätte. Ich habe all meine ersten Versuche vermasselt und war dann sofort raus.
Das Bild oben zeigt einen der wenigen Versuche, wo die Sache gut für mich ausging. Ich hab den Ball getroffen, hab’s auf die erste Base geschafft. Und nach tüchtigen Schlägen meiner anderen Teamleute bin ich dann tatsächlich „nach Hause“ gelaufen, was dem Team einen Punkt beschert hat. Ich mag das Bild sehr, man sieht, wie ich kurz davor bin, mit dem linken Fuß die Homebase zu berühren, also den Punkt zu machen. Rechts oben sieht man einen gelben Punkt – den Ball. Dahinter liegt unscharf ein bärtiger Mann quer in der Luft. Er hat den Ball hechtend geworfen, mit maximalem Einsatz. Die Frau neben mir wartet darauf, den Ball zu fangen. Wenn sie ihn fängt, ehe ich die Base erreiche, bin ich raus. Aber die Sache geht gut für mich aus, es war ein toller Moment. Entsprechend jubelnd zeigt mich das nächste (leider unscharfe) Bild:

Die eigentliche Lehrstunde hat mir jedoch eine andere Frage beschert: Was tun, wenn der Ball mir nicht gut zugeworfen wird? Dafür gibt es strenge Regeln. Der Ball darf nicht zu hoch sein, nicht zu flach, nicht zu weit rechts, nicht zu weit links. Pitcher sein – das ist ein schwieriger Job. Und die Faustregel bei so einem schlechten Ball lautet: Du machst gar nichts! Der Pitcher kriegt einen Fehler aufgeschrieben. Wenn er drei davon gemacht hat, darfst du ganz umsonst zur ersten Base marschieren. Und, Junge, HABEN mir meine Leute das eingebläut! „You don’t swing!“ Natürlich muss man vorher trotzdem so TUN, als würde man draufhauen. Wie ich hier im nächsten Bild. Bei all meinen Fehlversuchen meinten meine Leute: „Das Dastehen sah schon mal ganz gut aus.“

Das war sehr höflich. Überhaupt: Ich mag das Jubeln und Anfeuern sehr – es ist immer noch Amerika! Mein größtes Problem bestand darin, dann auch WIRKLICH nicht zu schlagen. Ich konnte es nicht.
Denn: Ich WILL diese blöde Kugel treffen, es ist ein Reflex, auch wenn die Kugel schlecht geworfen ist! Man haut dann natürlich vorbei – nach dem zweiten Fehlversuch ist man raus. Meine Leute verbergen ihre Gesichter schamvoll in ihren Händen. „Anfängerfehler“, meint Nicki trocken.
Und damit sind wir bei der großen Weisheit des Tages: Nichtstun ist eine Kunst. Es ist sehr schwierig, absichtsvoll nichts zu tun – zumal, wenn die Situation nach Aktion schreit, nach Lösung und Handlung. Ich beschäftige mich ja seit Jahren mit den möglichen Interventionen von Regierungen. Aus der Psychologie kommen dazu ganz interessante Ideen, wie man das ohne viel Aufwand machen kann und ohne die Freiheit der Menschen zu stark zu beschränken. Ein paar kluge Leute aus England haben über eine Art und Weise nachgedacht, dieses Regierungshandeln einzuordnen. Sie haben acht Stufen des Eingreifens ausgemacht. Die unterste Stufe – und das war damals ein großer Aha-Moment für mich – lautet: „Wir machen gar nix.“ Das bewusste Nichtstun ist AUCH eine Form der Intervention, eine Art des Eingreifens. Man entscheidet sich fürs Nichtstun – und das ist manchmal das Allerbeste überhaupt. Wie beim Softball, wenn die Kugel schlecht geworfen wurde.
Damals, vor Urzeiten, hab ich mich in meiner Magisterarbeit ja mit der Rednerschule der Nationalsozialisten in den späten 1920ern und frühen 1930ern befasst. Ich habe dabei auch ne Menge über die Führungsstrukturen der Partei gelernt. Es gab andauernd Zank zwischen irgendwelchen Abteilungsleitern und dann haben alle den großen Vorsitzenden angeschrieben und gesagt: „Jetzt tu doch endlich mal was!“ Man findet das auch in den Tagebüchern von Goebbels: Alle paar Seiten jammert er darüber, dass Hitler mal wieder NICHTS TUT und Probleme nicht auflöst. Ihm war entgangen, dass das Nichtstun komplett Absicht war und sozusagen das Machtprinzip seines Meisters. Sollen die andern sich doch kloppen! Soll der Ball doch fliegen und der Pitcher nen Fehler aufgeschrieben kriegen! Seit jenen Tagen hab ich in der Zeitung immer wieder Klagen gelesen über Menschen mit großer politischer Verantwortung. Über ihr Aussitzen. Ihre Unsichtbarkeit und all das. Tja.
Nichtstun ist eine Kunst. Und niemand sollte unterschätzen, wie sehr es gegen unsere Impulse geht. Man muss Respekt davor haben, wenn jemand das gut hinkriegt.
Dennoch bevorzuge ich persönlich natürlich die Aktion. Das Tun macht mir mehr Freude als das Nicht-Tun. Und so habe ich Nicki dazu überredet, ein Gericht auszutesten, das ich noch nie gekostet habe. Also sind wir mit der inzwischen nicht mehr stinkenden Schäferhündin in die Innenstadt marschiert, um bei Zingerman’s zwei „Knishes“ zu bestellen. Es handelt sich um ein Gebäck, das man mit gewürztem Kartoffelbrei oder anderen Sachen gefüllt hat.

Die Teigkissen waren im Januar Stadtgespräch, als die hiesige Uni ihren Präsidenten gefeuert hat. Er hatte ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin. Zusammen mit der Absetzung hat man gleich noch ein paar hundert Emails ins Netz gestellt, die die beiden einander zugeschickt hatten. Ich fand die Veröffentlichung einigermaßen schäbig, eine Aktion mit ranzigem Beigeschmack, sozusagen. War natürlich trotzdem unterhaltsam. Ein Satz des Präsidenten aus der Korrespondenz hat es sogar in die Headline der Berichterstattung geschafft: „I can lure you to visit with the promise of a knish?“
Knishes, so viel kann ich sagen, sind nahrhaft und lecker. Preis: 4,99 $ das Stück.
