Schnee

Gestern hatten wir in Ann Arbor über 20 Grad. Heute: Hagel und Schnee. Okay: Aprilwetter. Aber dann halt auch: Michigan. Und da möchte man zwanglos ein bisschen Landeskunde betreiben.

Also: Der Winter in Michigan ist ein Biest. Ich hab hier mehrfach Nächte mit unter 20 Minusgraden erlebt. Ordentlich Schnee auch. Im Garten hört man dann die Kojoten heulen. Es klingt anders als man’s aus Filmen kennt. Fieser. Vor allem, wenn das Rudel ein Tier gestellt hat. Man möchte dann nicht draußen sein.

Ann Arbor ist nach Einwohnern etwa so groß wie Würzburg, Ulm oder Göttingen. Aber das Stadion ist riesig. Hier passen mehr als 100.000 Leute rein, mehr als in Camp Nou in Barcelona oder Wembley in London. Was wollen die alle da? Sie gucken Football. Aber keine Spiele aus der NFL, sondern die Heimspiele der hiesigen Uni-Mannschaft. Klar, weiß man schon. Aber wenn man das selbst sieht, ist es dann doch irgendwie anders. Viele schmuggeln unter den dicken Klamotten Schnaps ins Stadion und teilen dann tüchtig mit den Nebensitzern. Alkohol ist also wie bei uns. Das Sportsystem funktioniert aber völlig anders. Wer an der Uni studiert hat, tapeziert sich seinen Partykeller in den Farben der Uni, fiebert am Spieltag mit, zahlt als Ehemaliger sein Leben lang Beiträge und kriegt dann im Gegenzug leichter Karten fürs Spiel. Alles seltsam. Wer in der Nachbarschaft des Stadions wohnt, vermietet jeden Quadratzentimeter seines Grundstücks als Privatparkplatz. Ein schöner Nebenverdienst. Alles bar auf die Kralle. Im Moment ist „The Big House“ natürlich leer und verlassen wie wohl alle Stadien der Welt (kleiner Nachtrag: Hab jetzt gesehen, dass in Weißrussland wohl noch immer normal weitergekickt wird).

Die Anzeigetafel von hinten. Natürlich mit dem „M“ in Maisgelb auf Blau. Branding!

Nicht weit von unserer Bleibe habe ich neulich eine Gedenktafel gefunden. Sie erinnert an die Gründung der Stadt vor fast 200 Jahren (neulich hab ich geschrieben, dass das Jubiläum schon war; stimmt aber nicht). Zwei Siedler haben hier für n Appel und n Ei Land gekauft (also: relativ gesehen). Ein Eichenhain gehörte dazu. Die beiden hatten wohl einige Gemeinsamkeiten: genügend Kohle für den Kauf, einen Riecher dafür, dass hier am Huronenfluss bald noch mehr Leute würden siedeln wollen – und dann auch noch die Vornamen ihrer Ehefrauen. Beide hießen Ann. Und so bekam die Siedlung den Namen Ann Arbor (wobei „Arbor“ – das lateinische Wort für „Baum“ – an die schönen Bäume erinnert; Bildung; schon damals; zumindest stell‘ ich mir das so vor).

Am Abend „Ticket to Ride“ gespielt. Auch mal wieder schön. Es war die Europa-Variante. Ich will mich nicht beklagen, aber manchmal hab ich großes Heimweh.

Tagsüber ein paar Zuschriften wegen meines Posts von gestern bekommen („Wer fühlt sich unverwundbar?“). Darüber schreib ich morgen.

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