Quellen und Links zur Podcastfolge „Heul doch!“ aus der Reihe „Sag mal, du als Psychologin …“, Folge III/3
„Ich habe mir ein Weinglas bestellt. Für die Tage, an denen ich traurig bin. Dann trinke ich und lass‘ mich geh’n. Bis das Glas ganz voll ist.“
So, heute geht es um unsere Podcast-Folge „Heul doch!“, wir sprechen dabei über das Rätsel des Weinens und die emotionalen Tränen des Menschen. Bevor ich die fälligen Quellen und Links raushaue, will ich noch was darüber erzählen, warum wir bei „Sag mal, du als Psychologin …“ eigentlich dauernd über irgendwelche Studien reden. Oder besser, was mit solchen „Studien“ eigentlich gemeint ist.
Also. Wenn forschende Psychologinnen und Psychologen einen Aufsatz in einem Fachjournal veröffentlichen wollen, dann stehen sie gleichsam vor einigen Hürden. Man muss die Artikel zunächst einreichen. Eingereichte Texte werden dann von sehr erfahrenen und in der Regel hochrespektierten Fachleuten gelesen (meist: Profs mit ner Stelle auf Lebenszeit). Diese „Editoren“ schicken viele Texte sofort zurück mit dem Vermerk: „Nö, lass mal, der Text ist nix für uns.“ Ich hab das mal ganz aus der Nähe mitbekommen. Da stellte die Chefeditorin irgendwann mit einigem Schrecken fest, dass sie von 100 eingereichten Artikeln nur einen einzigen akzeptiert hatte. Wissenschaftliches Publizieren in einem renommierten Journal ist ein hartes und frustrierendes Geschäft.
Was passiert, wenn das Manuskript vor den strengen Augen dieser Vorab-Jury Gnade findet? Dann wandert es weiter an so genannte „Reviewer“ (das sind auch wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, idealerweise mit langjähriger Expertise in jenem Fachbereich, zu dem der Artikel gehört). Zwei oder drei Reviewer lesen dann sehr detailliert den vorliegenden Text und entscheiden ihrerseits darüber, das Stück a) abzulehnen, b) mit größeren oder kleineren Änderungswünschen zurückzugeben oder c) direkt so zu drucken, wie es geschickt wurde (was praktisch nie geschieht). Danach folgen oft mehrere Änderungsschleifen – manchmal muss auch wieder zurück ins Labor, um neue Daten zu sammeln –, bis der Artikel schließlich fertig ist und veröffentlicht werden kann. Das ganze Verfahren wird als „Peer-Review“ bezeichnet, es ist eines der wichtigsten Instrumente der Qualitätskontrolle in der Wissenschaft. Anders gesagt: „Wissenschaftliche Studien“ sind kein Kinderspielplatz, auf dem die Forschenden machen können, was sie wollen. Da reden sehr viele Leute mit, die in der Regel nicht ganz doof sind und sich mit dem Fach oft auch sehr gut auskennen. Klar: Selbst in solchen Texten kommt es zu Fehlern, zu Schlamperei, manchmal gar zu Betrug. Trotzdem kann man sagen: Viel besser und glaubwürdiger als hier werden Texte selten. Das sind gute Quellen, aus denen meist trinkbares Wasser sprudelt. Und genau daraus mixen wir unseren Podcast. Unterhaltsame Lektüre sind solche Studien übrigens nur selten. Wir lesen sie, damit Ihr das nicht machen müsst. Gern geschehen!
So. Jetzt zu den emotionalen Tränen und den Quellen für Folge 3 aus der III. Staffel.
Aus welchen Anlässen weinen Kinder, Jugendliche und Erwachsene? Das findet man im Buch des legendären Tränenforschers Ad Vingerhoets. Es heißt „Why Only Humans Weep: Unravelling the Mysteries of Tears“.
Einen tollen Forschungsüberblick zu emotionalen Tränen bei Erwachsenen findet Ihr im Paper von Ad Vingerhoets & Lauren Bylsma „The Riddle of Human Emotional Crying: A Challenge for Emotion Researchers“.
Wir erwähnen irgendwann unsere Podcast-Folge „Abschied nehmen und Trauer tragen“ in Staffel 2. Ich glaube, das war eine Folge, die ich mochte.
Wie häufig weinen Männer? Wie häufig weinen Frauen? Die Antwort findet man im Paper „Culture and Crying: Prevalences and Gender Differences“.
Unsere Infos über die Unfähigkeit zu Weinen haben wir aus der Studie „Social and psychological consequences of not crying: possible associations with psychopathology and therapeutic relevance“.
In einer italienischen Altenheimstudie gaben 16 Prozent der Befragte an, jeden Tag zu weinen: „Daily crying prevalence and associated factors in older adult persons living in nursing homes: findings from a regional study“.
Mehr über Ignatius von Loyola und sein Tränentagebuch bekommt Ihr zum Beispiel hier.
70 Prozent der Menschen kriegen Hilfe, wenn sie weinen. Das wissen wir aus der Schrift „When is crying cathartic? An international study“. Deshalb bezeichnen wir unsere Tränen im Podcast als „Notruf aus der Steinzeit“, Tränen sind die 112 der Seele.
Vermeintliche Krokodilstränen haben für Frauen schlimmere soziale Konsequenzen als für Männer. Ist ungerecht, aber so steht es im Paper „Women who cry to manipulate others face more backlash than men“.
Wie reagieren wir, wenn man auf Porträtbilder digitale Tränen montiert? Die Antwort liefert die Studie „Tears evoke the intention to offer social support: A systematic investigation of the interpersonal effects of emotional crying across 41 countries“.
Das Weinen hat eine selbsttröstende Funktion, lernen wir in „Is crying a self-soothing behavior?“ Tränen trösten, auch wenn keiner kommt, um uns zu retten. Das halte ich für eine tröstlichen Information.
In unserer Folge „Motivierter werden ohne Drogen“ in Staffel 1 sprechen wir etwas ausführlicher über die legendären Verhaltens-Experimente von Ivan Pawlow
Dass ich in meinen tränenreichen Monaten so oft bei Musik weinen muss, ist kein Zufall. Das lernt man unter anderem im Aufsatz „Five reasons to cry – FRC: A taxonomy for common antecedents of emotional crying“.
In den USA sagen mehr als 70 Prozent aller Therapeutinnen und Therapeuten: „Ja, ich habe in meinen Therapiestunden schon geweint.“ Wir erfahren das in der Schrift „Do Therapists Cry in Therapy? The Role of Experience and Other Factors in Therapists’ Tears“.
Zum Schluss noch eine Leseempfehlung. Es gibt einen sehr schönen Aufsatz in deutscher Sprache über die psychologische Erforschung der Tränen. Er stammt Prof. Cord Benecke, der das Weinen als eine Art Lötarbeit unserer Seele interpretiert. Das hat mir sehr gefallen.
Wir bedanken uns im Übrigen bei Prof. Ad Vingerhoets von der Uni Tilburg, der die gesamte moderne psychologische Forschung zu diesem Thema losgetreten hat. Und wir bedanken uns bei Prof. Janis Zickfeld von der Uni Aarhus, der auch einige spannende Studien zum Thema beigetragen hat. Beide haben vor dem Podcast mit mir gesprochen, was uns hoffentlich dabei geholfen hat, möglichst wenig Unsinn zu erzählen.
Hab ich was vergessen? Keine Ahnung. Wenn Du Lust auf ein Coaching bei mir hast: Melde Dich einfach. Kann sein, dass ich kurzfristig keine Zeit habe, aber manchmal wird auch kurzfristig was frei und dann unterstütze ich Dich gerne. Probier’s einfach. Wirklich!
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