Kahlschlag bei Gruner + Jahr – was für eine Schande

Vorhin auf dem Hamburger Rathausmarkt gewesen. Viele Kolleginnen und Kollegen haben dort gegen den Kahlschlag bei Gruner + Jahr demonstriert. Kurz davor hatten die Bertelsmann-Leute verkündet, dass sie mehr als 20 Zeitschriften einstellen und einen Haufen weiterer Titel verscherbeln wollen. Ein paar hundert Jobs werden wegfallen, ich habe traurige Gesichter gesehen.

Was für eine Schande!

Und klar kann man jetzt sagen: So läuft’s in der Marktwirtschaft. Wenn keiner mehr die Magazine kauft, muss man irgendwann hinschmeißen.

Über den Verlust der beruflichen Heimat kann ich wenig schreiben. Das ist nicht meine Perspektive, denn ich bin Freiberufler, ein vaterlandsloser Geselle, wie meine Großeltern gesagt hätten. War beim Rathaus deshalb einer von denen, die nicht geweint haben.

Ich will nur EINEN Punkt herausheben, um zu zeigen, was heute alles verlorengeht. Für die Ausgabe von Geo, die derzeit am Kiosk liegt, hab ich die Titelgeschichte geschrieben. Es geht um psychedelische Drogen, mit deren Hilfe man jetzt schon in wissenschaftlichen Studien behandlungsresistente Depressionen behandelt.

Meine erste Version davon – ich hab nachgesehen – hatte mehr als 75 Quellenangaben am Rand stehen. Es frisst ne Menge Zeit, all das zu dokumentieren, aber bei Geo geht es nicht anders. Dort sitzen unfassbar kluge, fleißige, belesene und auch noch freundliche Menschen, die sich die Zeit nehmen, jede einzelne der genannten Studie zu prüfen. Manchmal kommen dabei Rückfragen in einer Qualität, von der man andernorts nur träumen kann. Die machen das nicht, weil’s Spaß bringt, sondern damit am Ende möglichst wenig Unsinn gedruckt wird. Unsinn ist schnell geschrieben, und ich war deshalb jedesmal heilfroh, dass sich jemand meine Texte mit wachem Blick und richtig viel Checke nochmal angesehen hat.

Geo selbst soll, so hört man, erstmal bleiben. Die meisten anderen Titel aus der Geo-Familie werden eingestellt. Auch das unvergleichliche Geo-Epoche, das beste Geschichts-Magazin, das man in deutscher Sprache kriegen kann. Auch Geo Saison. Geo Wissen. Walden. Alles weg.

Die ganzen P.M.-Magazine, für die ich seit fast 15 Jahren schreibe, sollen verkauft werden. Die Hefte werden danach wohl noch ne Weile erscheinen, aber besser und zuverlässiger werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht.

Gute Geschichten sind deshalb gut, weil viele Leute an ihnen arbeiten. Weil Abläufe da sind, um die Inhalte zu bewachen, um die Sprache zu bewachen, die Story zu bewachen. Aber Abläufe kann man nicht sehen. Sehen kann man nur das bunte Papier, das man nach Hause trägt. Ein Kumpel hat sich darüber gewundert, dass er für Geo am Kiosk knapp zehn Euro bezahlen musste.

Und jetzt?

Informationen wird es natürlich immer noch geben. Geschichten wird es immer noch geben. Aber sie werden morgen unzuverlässiger und schlechter sein, als sie gestern noch waren.

Meine Schwester meinte gerade am Telefon: „Im Internet kann ja jeder alles Mögliche schreiben. Woher soll ich denn wissen, was stimmt und was nicht?“ Genau so ist es.

Etwas geht zu Ende.

Es gefällt mir nicht.

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