Jeder fühlt’s anders

Vor ein paar Tagen hab ich mich gefragt, wie’s eigentlich um unseren Emotionshaushalt während des Corona-Lockdowns bestellt ist. Also hab ich auf Facebook nachgefragt und mehr als 30 Rückmeldungen erhalten (etliche Antworten kamen per Mail oder Messenger). Hat mir gutgetan, mich mit anderen auszutauschen und so viele ehrliche Worte zu lesen. Und ein paar Leute haben mir geschrieben, dass ihnen das Nachdenken und die Selbstvergewisserung auch gutgetan haben. Also: Alles richtig gemacht.

Was soll ich sagen? Bei den Antworten war so ziemlich alles dabei, was die menschliche Gefühlsküche so zu bieten hat. Die Psychologen wissen ja immer noch nicht so genau, wie das mit den Gefühlen eigentlich funktioniert. Die einen sagen: Es gibt ein paar grundlegende Emotionen (Angst, Trauer, Freude usw.) und die sind überall und für alle gleich. Sozusagen eine genetisch vorinstallierte Software, die bei entsprechenden Reizen einfach abgespielt wird. Wieder andere sagen: Quatsch! Emotionen sind jedesmal und für jeden anders.

Kurz: Ich weiß es doch auch nicht. Aber die Sache mit den Basisemotionen hilft mir manchmal, einen Weg durch den Dschungel zu finden und deshalb hab ich mir ein bisschen Mühe gegeben, alle emotional gefärbten Begriffe aus den Kommentaren in eine Tabelle geschrieben und sie dann einem System von Grundemotionen zugeordnet. Hier eine (von vielen möglichen) grafischen und inhaltlichen Darstellungen.

Tja. Und dabei sind mir ein paar Sachen aufgefallen:

  • Am allermeisten schreiben die Leute von Gefühlen aus der gelben „Angst/Sorge“-Gruppe. Das war zu erwarten. Trotzdem tröstlich, dass man damit in diesen Zeiten nicht allein ist.
  • Noch schöner war etwas anderes: Fast genau so oft wie über Angst und Sorge schreiben die Leute über Gefühle aus der grünen Gruppe: Sie fühlen sich manchmal „vergnügt“, „optimistisch“, „frohgemut“. Ist das nicht klasse? Positive Emotionen sind immer am Start. Selbst in düsteren Zeiten.
  • Danach folgen – zumindest, was die Häufigkeit angeht – die „roten“ und „blauen“ Gefühle, also Wut und Trauer. Könnte die Wut was mit dem Lagerkoller zu tun haben? Ganz bestimmt. Zumindest bei mir scheint die Trauer eher darunter zu schlummern. Sie ist nicht so laut. Aber irgendwie „echter“.
  • So. Jetzt ein paar Gedanken, bei denen ich mich (sagt Nicki) auf dünnem Eis bewege: Männer haben auch Gefühle! Jawohl. Von einigen reden sie sogar öfter als die Frauen (zumindest in den Texten, die ich lesen durfte). Das gilt für die „orangen“ und die „rosa“ Emotionen. Männer geben sich insgesamt optimistischer.
  • Auch bei der Trauer hab ich einen starken Unterschied zwischen Jungs und Mädchen gefunden. Die Frauen reden fast drei Mal häufiger davon. Was sagt uns das? Weiß ich nicht. Boys don’t cry? Ich lass das einfach so stehen und denke drüber nach.
  • Und noch etwas hat mir gefallen: In ganz vielen Zuschriften haben die Leute davon geschrieben, durch welche Strategien sie mit der Belastung besser klarkommen. Die Psychologen sagen „coping“ dazu. Meditation war dabei. Beten. Das Beste aus der Sache machen (aufräumen). Die guten Seiten der Situation sehen (mehr Zeit mit den Kindern). Jeden Tag etwas Neues machen. Mehr Schokolade. Mehr Zigaretten. Sich zurückziehen. So tun, als wär nix – das ganze Programm eben.

Die Bilder zeigen übrigens einen Kolibri, den ich an Neujahr an der San Francisco Bay aufgenommen habe. Eigentlich sollten wir noch bis Mai dort sein. Es war toll da. Wirklich.

Ich versuche jetzt für den Rest des Abends – wie die Freunde, die mir geschrieben haben – das Beste aus der Sache zu machen, die guten Seiten der Situation zu sehen und so zu tun, als wär nix. Mal sehen, ob’s hilft.

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