Fünf Fundstücke aus der Psychologie – und Freud zum Dessert

Als Journalist schreibe ich ja überwiegend über psychologische Forschung. Dafür lese ich jeden Tag irgendwelche wissenschaftlichen Aufsätze und manche davon finde ich auch einigermaßen erhellend. Doch nicht aus jeder spannenden Studie wird auch eine Geschichte. Schade um die schöne Arbeit! Ein Glück: Hier kann ich darüber schreiben und vielleicht liest es ja jemand, der was damit anfangen kann.
Heute also: fünf psychologische Studien – und dazu als Dessert ein Zitat von Sigmund Freud. Letzteres einfach so aus Nostalgie. Los geht’s!

1. Auch Gruppen hinterlassen einen „ersten Eindruck“

Mein alter Kumpel Dirk hat mich immer wieder darauf hingewiesen, dass es „für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt“. Ist eine Spruchweisheit, stimmt aber trotzdem. Jetzt haben sich drei Forscherinnen angeguckt, ob das auch für Gruppen gilt. Und tatsächlich: Es gilt auch für Gruppen. Die Sache scheint folgendermaßen zu funktionieren: Wenn wir bisher noch nie jemanden aus Syrien getroffen haben, dann prägt die erste Begegnung mit jemandem aus Syrien, was wir über die Syrer im Allgemeinen denken. Er (oder sie) ist eine Sportskanone? Schon halten wir die Syrer generell für sportlich! Hat er (oder sie) tüchtig gearbeitet? Wir halten die Syrer ganz allgemein für tüchtige Arbeiter usw. Die Forscherinnen nennen das die „first-member heuristic“. Wir sparen uns Denkarbeit, indem wir uns nur den ersten Vertreter einer Gruppe genauer ansehen – und dann insgeheim davon ausgehen, dass „diese Leute“ im Grunde alle gleich sind. Tja.

2. Wer laut redet, wirkt überzeugender (leider)

Manchmal überzeugt uns nicht der Inhalt, sondern die Art und Weise, wie jemand redet. Wer lauter spricht, macht den Eindruck, seiner Sache sehr sicher zu sein. Wir kaufen ihm die Sache deshalb ab, selbst bei schwacher Beweisführung. Wusste man irgendwie schon. Schön, dass die Psychologen die Sache nochmal überprüft haben.

3. Künstliche Intelligenz hat (zum Glück) noch Probleme, am Klang unserer Stimme unsere Laune abzulesen

Ein Forscherteam hat 20.000 Leute gebeten, mehrmals täglich per Audio-Signal aufzuzeichnen, wie sie sich gerade fühlen. Dann hat man den Klang der Stimme und auch die jeweiligen Hintergrundgeräusche analysiert. Kann Künstliche Intelligenz allein am Sound hören, wie gut die Leute jeweils drauf sind? Die Antwortet lautet: nö. „Es ist derzeit noch nicht möglich, das Auf und Ab unserer Emotionen durch Klanganalysen zu ermitteln.“ Beruhigend!

4. Trigger-Warnungen sind womöglich fürn Eimer

Gerade in den USA kommen Serien, Filme und sogar Bücher immer häufiger mit Warnhinweisen daher: Die Inhalte könnten einen an schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit erinnern und so seelische Pein verursachen. Eine relativ neue Studie zeigt jetzt, dass solche „Trigger Warnings“ womöglich fürn Eimer sind. Die Warnung hat Trauma-Patienten im Experiment jedenfalls nicht geholfen und die Inhalte nicht leichter verdaulich gemacht. „We found that trigger warnings are not helpful for trauma survivors“, lautet das Fazit der Forscher (es waren lauter Männer) von der Harvard University. Ich glaube nicht, dass diese Studie das letzte Wort in dieser Sache sein wird. Interessant fand ich’s trotzdem.

5. Berge erscheinen einem steiler, wenn man gerne mit Leuten redet

Ein Kollege von der Columbia University hat in seinem Seminar eine Zufallsentdeckung gemacht (diese Story habe ich in einem Konferenz-Vortrag gehört). Er hat mit seinen Studierenden gemessen, wie steil ihnen eine Steigung vorkam. Das geht ganz einfach. Man haut vor der Steigung einen Pfosten in die Erde, schraubt darauf ein Brett an einem beweglichen Scharnier und sagt den Leuten: „Stellt das Brett mal mit der Hand so steil ein wie der Hang ist, der vor euch liegt.“ Praktisch jeder verschätzt sich dabei. Man überschätzt die Steilheit. Aber (und hier kommt der Gag): Die Extrovertierten verschätzen sich deutlich stärker als die Introvertierten. Berge kommen uns also steiler vor, wenn wir generell gerne mit Leuten reden. Ulkig oder?

Dessert: Was Freud sagt

Ich nehme ein Buch des alten Meisters zur Hand, schlage es irgendwo auf und zitiere, was ich finde. Heute dies:
„Wenn man die hier angezeigte Methode der Traumdeutung befolgt, findet man, dass der Traum wirklich einen Sinn hat und keineswegs der Ausdruck einer zerbröckelten Hirntätigkeit ist, wie die Autoren wollen. Nach vollendeter Deutungsarbeit lässt sich der Traum als eine Wunscherfüllung erkennen.“ (S. Freud: Die Traumdeutung; Ende des II. Kapitels)

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