
Zweiter Tag Ann Arbor. Laufen gewesen und dabei Fotos gemacht. Ann Arbor ist eine College Town. Wie Tübingen. Nur noch krasser. Die Studenten (mehr als 44.000) hat man im Wesentlichen nach Hause geschickt. Das Krankenhaus zählt zu den besten des Landes. Die Unterstützung für die Arbeit dort erfolgt nicht über abendlichen Gruppenapplaus, sondern über Schilder in Vorgärten. Mehr Individualismus hier.
Die Stadt hat sich den Werten von Aufklärung und Rationalismus verschrieben. Doch wie fast überall, wo man so was durchzieht, gedeihen im Windschatten ungewöhnliche Pflanzen. Zum Beispiel findet man am Straßenrand alle Nase lang kleine „Fairy Doors“, winzige Türen, die so tun, als führten sie in die Behausung putziger Feen.

Woran glauben die Leute hier? An alles Mögliche. Es gibt mindestens 80 verschiedene Glaubensgemeinschaften allein unter den Christen. Und dann sind da natürlich noch ganz viele andere Religionen. Alle haben im Moment etwas gemeinsam: Sie müssen von zu Hause aus beten. Auch wenn die Gouverneurin von Michigan in ihrem „Shelter in Place“-Erlass religiöse Versammlungen explizit von entsprechenden Ordnungsstrafen ausnimmt.

Bei unserer Fahrt übers Land haben wir mancherorts US-Flaggen gesehen, die in gefühlter Basketballfeld-Größe am Autobahnrand wehten. Hier in der Stadt liegen die Verbindlichkeiten etwas anders. An der Plymouth Road komme ich an drei Fahnenstangen vorbei. Eine Fahne für Michigan, eine für die USA, eine für die Uni. Alle drei gleich groß. So in etwa sind die Leute hier drauf.

Ein paar Blocks weiter stolpere ich ein Schild. Die Uni-Klinik hat die Bürger der Stadt darum gebeten, Schutzkleidung zu spenden. Ich folge der Einfahrt, drei junge Menschen in Masken und Schutzanzügen sammeln die Spenden ein. Wir wechseln ein paar Worte. Sie sind in erster Linie an Masken interessiert. Aber auch an Kitteln und Handschuhen. „Keine Handschuhe aus Latex“, sagt einer der beiden Männer. Warum nicht? „Weil viele Leute darauf allergisch reagieren.“ Was man so alles nicht weiß …
Die Spendenaktion läuft seit Montag. „Die Leute haben massenhaft Zeug vorbeigebracht“, sagen sie. Von Tag zu Tag wird es ein bisschen weniger. Sie wollen bis Samstag kommender Woche weitermachen.

Gestern gab’s im Landkreis 92 positive Fälle. Heute sind es 150. Klingt überschaubar. Im nahen Detroit jedoch tickt eine Bombe. Schon 37 Tote. Und im Vergleich dazu viel zu wenige Tests draußen. Mal sehen, wie’s weitergeht. Angeblich gibt es Überlegungen, einige der Kranken aus der großen Stadt hier in den Studentenwohnheimen zu parken, „when the shit is hitting the fan“. In den Filmen sind die Pandemien immer gleich der Weltuntergang. Die Wahrheit ist viel filigraner, viel differenzierter.
Bei McDonalds suchen sie Mitarbeiter. Sie zahlen mehr als elf Dollar die Stunde. Just sayin‘

Kommentare