
Gestern hat mir Nicki eine TV-Offenbarung beschert und per Streaming ein paar Folgen der amerikanischen Serie Schoolhouse Rock über den Schirm flimmern lassen. Das sind trippige Zeichentrick-Filme zu interessanten Popsongs aus den frühen 1970er Jahren. Kann sein, dass die eh jeder kennt. Ich jedenfalls sehe sie zu ersten Mal. In den Texten geht es um Mathe, Landeskunde oder Grammatik. Ganz toll finde ich zum Beispiel den Song Conjunction Junction, in dem die grammatische Kategorie der Konjunktion erklärt wird. tldr: Mit „und“, „oder“ und „aber“ ist man stets auf der sicheren Seite. Zack – fertig! In einem entsprechenden Song über die „Interjektion“ heißt es: Nach der Interjektion kommt ein Ausrufezeichen. Oder ein Komma, wenn die Emotion dahinter nicht sehr stark ist. Bin völlig begeistert.
Ansonsten: Weil die Coronazahlen niedrig sind, hab ich zum ersten Mal in den USA ein Tischtennis-Turnier gespielt – in einem Städtchen namens Davison bei Flint (Michigan). Flint kennt man aus den Nachrichten wegen des versuchten Trinkwassers dort. Ganz traurige Story um die tiefdunklen Seiten des Kapitalismus. Jedenfalls veranstaltet der „Davison Athletic Club“ regelmäßig kleine Turniere, was ich sehr zu schätzen weiß.

Über dem Eingangstresen hat man, wie das hier üblich ist, einige Flaggen aufgehängt: das Land, der Staat, die Gemeinde. Immer wieder erstaunlich finde ich die Tatsache, dass die Flagge von Michigan einen lateinischen Wahlspruch enthält, der zugleich die Lieblichkeit der Halbinsel besingt und einen Hang zur klassischen Bildung demonstriert: „Si Quaeris Peninsulam Amoenam Circumspice.“

Erstaunlich auch die Architektur. Im Athletic Club steht jede Tischtennisplatte in einem eigenen Raum. Man hat sie vor Turnierbeginn einfach in eine Art Squash-Zelle geschoben. Das ist toll, weil anders als sonst niemals querfliegende Bälle aus anderen Matches den Spielfluss unterbrechen. Die Stimmung während der Spiele ist allerdings schwer zu beschreiben. Man hat das Gefühl, ganz allein in einer Privatgarage oder einem Hobbykeller zu spielen, nur halt mit mehr Platz drumrum. Was dabei völlig fehlt, ist die Atmosphäre von Öffentlichkeit, die ich von Turnieren aus Deutschland kenne.

Auch interessant: Wenn man (wie ich) zum ersten Mal in den USA spielt, kann man per Definition nicht gewinnen, weil man nämlich noch kein „Rating“ hat und deshalb mit der Ziffer „0“ eingestuft wird. Denn was ergibt eine Multiplikation mit 0? Eben! Hat trotzdem Spaß gemacht. Der Turnierorganisator hat mir Väterlich die rechte Pranke auf die Schulter gelegt: „Tröste dich, nach diesem Turnier hast du ein eigenes Rating – und beim nächsten Mal kannst Du dann auch ne Medaille kriegen, wenn du dich anstrengst.“ Sport ist toll, weil die Welt darin ganz klein wird, ganz einfach und unkomplex. So verbindet sich die körperliche Bewegung mit einer Erleichterung fürs Gehirn – mehr Eskapismus geht nicht.

Viele Dinge sind beim Tischtennis in den USA aber genau wie bei uns. Für mich das Wichtigste: Auf einmal kommt man mit Leuten zusammen, denen man ansonsten niemals über den Weg laufen würde. Wir kommen aus allen Ecken der Welt, aus Korea, China, Indien, Pakistan, Nepal, aus Europa, aus den USA (mit Vorfahren von überall). Da spielen Medizinstudenten, Marketingleute, Köche, Ingenieure, Freiberufler, Angestellte, Unternehmer, Rentner, Schulkinder … alle auf einem Haufen. Okay, es gibt eine gewisse Häufung von Menschen, die irgendwas mit der Automobilindustrie zu tun haben, aber das scheint mir bei der Nähe zu Detroit nicht weiter verwunderlich.
Nicki sagt: Die Sache erinnert sie an das Argument von Robert Putnam in seinem Buch „Bowling Alone„, in dem er sich die nachbarschaftlichen Bowling-Ligen angesehen hat und wie sie Brücken schlagen zwischen getrennten sozialen Gruppen. „Bridging social capital“ ist das, was Gemeinschaften erst zu Gemeinschaften macht. In Deutschland übernehmen das die Vereine, deren Bedeutung man deshalb gar nicht hoch genug einschätzen kann.

Gleich wieder Schnee schaufeln. Bowling alone – aber immerhin für einen guten Zweck.