Ein sehr interessantes Brot

Hab hier ein sehr interessantes Brot gefunden. Naja. Gefunden. Es lag halt im Brotkorb. Und wie ich so auf die Verpackung schaue und den Namen der Marke, da denke ich: Moment mal, das ist doch eine Bibelstelle! Wieso benennen die ein Brot nach einem Bibelzitat?

Jemand hat mir dann erzählt, dass seine Fitnesstrainerin total auf Ezekiel 4:9 schwört. Es bildet die Grundlage ihrer Ernährung und hilft ihr dabei, eine schlanke Linie zu halten. Ich hab auch davon gekostet. Hat mir geschmeckt. Ezekiel 4:9 ist, wie mir scheint, ein gutes Produkt.

Nach der Schmeckung hat mich dann aber die Neugier gepackt. Also frisch im Netz die Lutherübersetzung von 1912 gesucht (denn mit der bin ich aufgewachsen) und zu Hesekiel 4 gesprungen.

Nun. Hesekiel, das sollte man erwähnen, ist einer der „großen Propheten“ im Alten Testament. Davon gab es insgesamt nur vier. Also nicht viele. Um diesen Job zu kriegen, muss man, sagen wir mal: anders sein als die meisten anderen Menschen. Heute würde man sagen: neuro-divers. Ich war deshalb auf einiges gefasst. In Vers neun heißt es dann aber ganz vernünftig und fast chefkoch.de-mäßig:

So nimm nun zu dir Weizen, Gerste, Bohnen, Linsen, Hirse und Spelt und tue alles in ein Faß und mache dir Brot daraus, soviel Tage du auf deiner Seite liegst, daß du dreihundertundneunzig Tage daran zu essen hast.

Hesekiel 4,9 (Luther 1912)

Genau so steht’s auch auf der Brotpackung, nur halt auf Englisch und ohne den Zusatz mit den 390 Tagen, für die das Brot reichen muss.

Eigentlich hätte ich damit zufrieden sein können. Aber wo ich schon mal da war, hab ich noch ein paar Zeilen weitergelesen. Zunächst gibt es in den Versen zehn und elf Diätanweisungen (wie viel man pro Tag essen und trinken soll; ich sag nur so viel: Das war ein karges Leben damals). Und dann folgt in Vers zwölf tatsächlich eine relativ konkrete Backanleitung. Da steht:

Gerstenkuchen sollst du essen, die du vor ihren Augen auf Menschenmist backen sollst. 

Hesekiel 4,12 (Luther 1912)

Aha. Ja. Die Zeiten waren offenbar NOCH härter als vermutet. Und selbst Hesekiel ist, wie man in den Versen dreizehn und vierzehn lesen kann, von diesem Rezept wenig begeistert: Er hat sich sein Leben lang an die religiösen Reinheitsgebote gehalten. Das Kackebacken widerstrebt ihm. Kann man an der Sache nicht noch was drehen? Und tatsächlich: Der Allmächtige lässt mit sich handeln, wie wir in Vers fünfzehn erfahren:

Er aber sprach zu mir: Siehe, ich will dir Kuhmist für Menschenmist zulassen, darauf du dein Brot machen sollst. 

Hesekiel 4,15 (Luther 1912)

Puh, holy shit, die Sache ist gerade nochmal gutgegangen. Mit diesem Dreh wird das Brot bestimmt gleich viel besser schmecken. Glück gehabt, Hesekiel!

6 Kommentare
  1. Martin Metzger
    Martin Metzger sagte:

    Hesekiel ist einer der Propheten, mit denen ich mich immer nur sporadisch mal beschäftigt habe – fürwahr ein ganz besonderer Geselle. Viel Spaß beim Nachbacken!

    Es war übrigens Luther 1975 – ich hab die zerfledderte Ausgabe von damals noch hier!

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    • JochMetz
      JochMetz sagte:

      Ah, sehr gut, interessant. Unterscheidet sich die Übersetzung der entsprechenden Passagen in der Ausgabe von 1975?

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  2. Martin Metzger
    Martin Metzger sagte:

    Ja, tut sie, aber die Zutaten sind die gleichen und darauf kommt’s ja wohl an:
    „Nimm dir aber Weizen, Gerste, Bohnen, Linsen, Hirse und Spelt und tu alles in ein Gefäß“. (Luther 1975)

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