Ein paar tausend Leute – und alle kiffen

Gestern bin ich im Zentrum von Ann Arbor ins heftigste Volksfest meines Lebens geraten. Die Veranstaltung nennt sich „Hash Bash“ (=“Hasch-Fete“) und obwohl ich ja schon ne Menge Zeit hier verbracht hab, ist mir der Name bisher noch nie zu Ohren gekommen. Auch seltsam.

Jedenfalls stolperten da tausende von Leuten über den Campus – und sehr viele davon waren bereits berauscht oder sichtbar am Kiffen.

Am Straßenrand überall Marktstände – für Marihuana selbst, aber auch für die ganzen Waren drumherum. Bongs, Pfeifen, Feuerzeuge, hydroponische Systeme für den heimischen Selbstanbau, Merchandise. Dazwischen auch eine Firma, die Hausdächer verkauft hat. Ich so: „Häh? Ihr deckt die Häuser mit Gras???“ Die Leute so: „Nö, mit Gras hamwer nix am Hut. Aber Hausbesitzer trifft man überall!“ War nicht viel los an ihrem Stand, keine Ahnung, ob die Marketingabteilung das korrekt kalkuliert hat.

Die für mich krasseste Aktion waren Leute, die mit Laubbläsern durch die Menge gefahren oder gelaufen sind und dabei irgendwelchen Qualm in die Menge gepustet haben (der rote Pfeil im Bild unten zeigt auf rauchenden Auslass).

Ich hab erst gedacht: Klar, ist nur Dampf, ein PR-Gag. Also bin ich hingegangen, um mal zu schnuppern. Nämlich hier. Im Bild unten zeigt der rote Pfeil auf, naja, den Rauch halt. Der schwarze Pfeil bedeutet gar nix. Ich war nur zu faul, ihn wieder aus dem Bild zu löschen.

Ich kann jedenfalls bezeugen, dass es sich weder um einen Gag noch um Wasserdampf gehandelt hat. Ich hab erst zwei volle Ladungen von dem Zeug in die Nase bekommen und danach einen Blick in den Pfeifenkopf geworfen. Und das war ganz eindeutig kokelndes Gras. Hat so gerochen. Und auch so gewirkt. Ich war noch beim Frühstück ziemlich benebelt und hab davor zum ersten Mal seit Wochen durchgeschlafen wie ein Baby. Meine Herren!

Überall standen im Übrigen fliegende Händler rum, die ihre Waren angepriesen haben. Mit einigen hab ich ein Schwätzchen gehalten. Alle waren EXTREM glücklich mit den Geschäften. Ich so: „Wie läuft’s?“ Er so: „Dude, was soll ich machen? ALLE sind am Kiffen!“

Ein anderer hat seine selbst angebauten Joints verkauft. „Alles Bio-Ware, du siehst hier den KAVIAR unter den Joints!“ Er hat 20 Dollar pro Joint genommen und anderthalb Stunden vor Ende der Veranstaltung behauptet, schon 800 davon vertickt zu haben.

Es war ein goldener Tag für die Menschen mit dem grünem Daumen.

Neben dem Hiphop-Stand mit der PA-Anlage und den fetten Bässen hat ein Stelzenmann seine Tänze aufgeführt. Ne Band gab’s auch. Deren Gig haben wir aber knapp verpasst und nur noch die letzten paar Akkorde mitgekriegt. Schade.

Jedenfalls. Wirkte das Ganze wie ein Weinfest in der Pfalz – nur halt mit Gras statt mit Riesling.

Interessant auch, dass IRRE viele Leute rumgelaufen sind, um für irgendwas Unterschriften zu sammeln. Für eine neue Kreisrichterin zum Beispiel.
Für einen republikanischen Kandidaten fürs Repräsentantenhaus.
Für eine demokratische Kandidatin fürs Repräsentantenhaus.
Für die Legalisierung von Magic Mushrooms („in Ann Arbor und Detroit sind sie schon legal – im Rest von Michigan aber noch nicht“).
Für einen Mindestlohn von 15 Dollar.
Ich hab dann immer gesagt, dass ich aus Deutschland bin, dann haben sie mich alle in Ruhe gelassen. Ein älterer Herr hat mir aber ne kostenlose Vorlesung über Hash Bash gegeben.

Das Fest findet jedes Jahr Anfang April statt – und zwar schon seit 1972. Es war also das 50. Jubiläum. „Am Anfang ging’s nur um nen Typen, den sie wegen ein paar Gramm Gras eingesperrt haben. Hash Bash war am Anfang reiner Protest.“

Jetzt ist Marihuana in Michigan seit 2019 legal. Die Gouverneurin war über viele Jahre Stammgast bei der städtischen Haschisch-Sause, wie man Wikipedia nachlesen kann. Auch interessant.

Wir waren am Ende unseres Besuchs jedenfalls allerbester Laune und haben wieder was gelernt über Ann Arbor und die Welt.

Eins vielleicht noch: Kiffen ist hier erlaubt. ÖFFENTLICHES Kiffen aber nicht. Eigentlich. Denn an diesem einen Tag im Jahr pflegt die Polizei beide Augen zu verschließen. Wie in der großen Skulptur vor dem örtlichen Kunstmuseum.

Mir gefallen solche Ausnahmetage, wo alle Fünfe gerade und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Es ist eine gute Haltung. Für das Leben und überhaupt.

Jetzt bräuchte ich noch einen klugen Schlusssatz. Aber ich bin noch immer ein bisschen angeschlagen vom gestrigen Passivrauchen. Heute geht’s wieder früh ins Bett.

Peace!

Kommentare

  1. Lieber Jochen, super Storry! Hat Spaß gemacht beim Lesen! Was die Amerikaner so alles machen Herrlich!
    Herzliche Grüße aus Weiden
    Martin

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