Metzger’s Michigan Monday #5

Am 8. November steigen hier in den USA die so genannten Halbzeitwahlen (Midterms). Habe jetzt durch Zufall mitbekommen, dass der gepfefferte Wahlkampf sogar schon die Welt der Gewürze erreicht hat. Und zwar ging das so: Nicki kauft viele ihrer Gewürze online von einem Hersteller namens Penzeys. Ich habe gestern mit einem Kumpel gesprochen, der sein Geld mit gewürzten Lebensmitteln verdient. Er sagt: Die Gewürze von Penzeys haben eine unerreichte Qualität. Vor Jahren hat er selbst seine Gewürze von dort bezogen. Irgendwann hat die Firma aber aufgehört, ihre Waren in großen Mengen an andere Unternehmen zu verkaufen. Man kriegt jetzt nur noch die kleinen Packungen für den Einzelhandel, für ihn ist das natürlich viel zu teuer. Er hat das sehr bedauert.
Jedenfalls verkauft Penzeys jetzt eine neue Gewürzmischung mit dem Namen „Outrage“. Für Nicki war das zunächst ein privater Insider-Gag. Denn wir haben eine Reisebegleitung: Piglet. Manchmal kocht Piglet Pasta für uns wie im Bild unten. Meist aber geben wir Piglet eine eigene Stimme und üblicherweise ist der Sprechmodus purer „Outrage“: Piglet kriegt mit Piepsstimme einen Wutanfall nach dem anderen und endet jede Tirade mit dem Satz: „It’s outrageous!“

Albern. Aber lustig. Und eine erprobte psychologische Intervention: Ein Gedanke belastet uns –> wir sprechen ihn laut aus in einer Piepsstimme –> wir können uns besser von diesem Gedanken distanzieren und hören auf, sozusagen dieser Gedanke zu sein.
Jedenfalls freuen wir uns über dieses Gewürz. Erst als wir das Kleingedruckte auf dem Label lesen, fällt uns auf, dass es hier nicht um Spaß geht, sondern um etwas Größeres.

„Die fortlaufenden Bestrebungen der Republikaner, die Demokratie zu beenden, ist empörend“, heißt es dort. „Wann hört eine Partei auf und wann beginnt Faschismus? Wenn die guten Leute aufhören, wütend zu sein. Eure Liebe ist stark; nutzt sie, um die Empörung am Leben zu halten.“
Das sind Sätze, wie ich sie auf einer kommerziellen Gewürzverpackung bisher selten gelesen habe. Nicki schickt mir bald darauf den aktuellen Newsletter, den Bill, der Besitzer des Würzunternehmens, an seine Kundschaft verschickt. Offenbar hat Bill vergangene Woche folgende Botschaft verschickt: „Don’t be mean. Don’t vote Republican.” Er hat anscheinend ein paar scharf gewürzte Antworten von konservativer Seite erhalten. Jetzt schreibt er: Wer Republikaner wählt, ist „nicht mehr mit der wirklichen Welt verbunden“. Und weiter: „Es liegt jetzt am Rest von uns, unsere Meinung zu sagen, solange unsere Stimmen noch gezählt werden. Am 8. November haben wir die Möglichkeit. Sorgt dafür, dass jeder, den ihr kennt, einen konkreten Plan dafür hat, auch hinzugehen. Nehmt sie im Auto mit, wenn es sein muss. Diese Wahl zählt wirklich.“
Im Wikipedia-Eintrag des Unternehmens lese ich, dass Bill Penzey schon länger politisch aktiv ist. Zum Beispiel hat er im Januar 2022 das „Martin Luther King Jr. Day sale weekend“ in „Republicans are racist weekend“ umgetauft. Angeblich hat er dadurch auf einen Schlag 40.000 Kundinnen und Kunden verloren – dafür aber aus dem anderen Lager 30.000 neue Leute dazugewonnen. Auf einer konservativen Anti-Penzeys-Seite habe ich eine Angabe gefunden, wonach er durch seine politischen Äußerungen seinen halben Jahresumsatz eingebüßt hat. Der Eintrag dort stützt sich auf einen „anonymen Insider“. Kann sein, dass die Zahl frei erfunden ist, man weiß es einfach nicht.
Ich glaube ja noch immer dran, dass man im Prinzip mit den meisten Menschen reden kann. Penzeys Aktion wird hier in Ann Arbor weithin beklatscht, sie scheint mir insgesamt aber eher spaltend zu wirken.
Wir haben „Outrage“ jedenfalls auf unsere gedämpften Maiskolben gestreut und es hat sehr gut geschmeckt und dem Mahl einen gewissen Kick verliehen.