
Ein Covid-Test dauert in Michigan derzeit 45 Minuten. Wir haben’s ausprobiert. Und zwar so:
Weihnachten ist vorbei. Menschen verlassen das Haus, andere haben es neu betreten. Und weil Omikron überall ist, fahren wir zur Teststation an der Wagner Road. Hier waren wir neulich schon mal. Diesmal jedoch ist die Autoschlange deutlich länger – sie zieht sich kreuz und quer über den gesamten Parkplatz. Hab ich schon mal erwähnt, dass es in den USA wahnsinnig viele Parkplätze gibt? Ein Parkplatzologe hat mal behauptet: Alle Straßen und Parkplätze des Landes zusammen entsprechen etwa der Fläche von West Virginia.
West Virginia ist größer als Hessen.
Jedenfalls warten hier viele Autos. Alle wollen sich testen lassen. In den Apotheken kriegt man nämlich kaum noch Tests für daheim. Der Spiegel hat heute ein großes Stück über die amerikanische „Testmisere“ gebracht. Hier auf dem Parkplatz kann man sie sehen. Ich höre Murren vom Rücksitz. Um uns die Zeit zu verkürzen, machen wir ein Spiel daraus. Wie lange dauert’s bis wir drankommen? Das Höchstgebot liegt bei 37 Minuten.

Ich zähle inzwischen die Fenster des Gewerbelagers hinterm Testzelt. Ich komme auf 40. Eine heilige Zahl. Erst danach lese ich die Aufschrift am Gebäude. Es handelt sich gar nicht um ein Lager, sondern um eine Kirche! So ergibt alles einen Sinn.
Im Zelt scannen wir unseren QR-Code, kriegen unsere Spucktests, dann Ausfahrt – fertig! Dabei lächelnd die endlose Schlange der wartenden Autos beobachten. Interessant, wie bei solchen Gelegenheit zuverlässig dieses wärmend-selbstgefällige Körpergefühl in einem aufsteigt. Man ist nicht stolz drauf und genießt es dennoch.

Am Ende verrät die Stoppuhr, dass der ganze Spaß nur knapp länger als eine Fußballhalbzeit gedauert hat.

Ansonsten haben wir keine Milch mehr im Haus. Das Brot ist auch fast alle. Also machen wir, wo wir schon mal in der Nähe sind, einen Abstecher zu Aldi. Man hätte auch noch nen Tag auf die Testergebnisse warten können. Andererseits – ein Morgenkaffee ohne Milch? Im Zweifel siegt immer die Bequemlichkeit.

In Hamburg geh‘ ich nur ganz selten zu Aldi, hier jedoch ist der Besuch immer etwas Besonderes. Alles fühlt sich dort irgendwie logischer an, gewohnter, so, wie es sich gehört. Aldi beamt mich für ein paar Minuten zurück nach Deutschland. Ganz seltsam. Es fängt schon bei den Einkaufswagen an: Man muss einen Vierteldollar einstecken, um sie auszulösen, ganz so, wie man das halt so macht. In den USA sind derlei Scherze unüblich. Deshalb haben sie über den Wagenreihen ein Schild angebracht, wo sie’s nochmal allen erklären: Mit der Münze kriegst Du den Wagen. Du bringst den Wagen wieder – Du kriegst Dein Geld zurück.

Nicki sagt: „Das ist eine schräge Regelung.“ Ich sage: „So gehört es sich.“ Genau das verstehen die Soziologen unter „Kultur“. All die Dinge, die so normal für uns sind wie Sauerstoff in der Luft. Wir denken nicht mehr drüber nach – bis wir zufällig woanders landen, wo’s anders läuft.
Ich will im Übrigen keine Werbung machen: Aber am Ende gehen wir aus dem Laden raus und haben locker 50 Dollar weniger ausgegeben, als wir für dieselben Waren anderswo gezahlt hätten.
Jetzt warten wir mal ab, was der Test so ergibt. Ich bin optimistisch.
P.S.: Lese gerade, dass wir in Michigan jetzt rund 13.000 neue Covid-Fälle pro Tag haben. So viele gab’s noch nie. Die Fallzahlen liegen rund 2,5 Mal höher als in Deutschland (auf die Gesamtbevölkerung umgerechnet). Mehr als 20 Prozent aller Tests sind derzeit positiv. Das ist viel zu viel.
Zeit für Suppen und lange Spaziergänge.