Das geheime Misstrauen in das Fremde und das Neue

In Ann Arbor stehen überall in den Parks und Wäldern solche Schilder. Sie verraten, dass die Behörden auf kontrollierte Weise das Grünzeug unter den Bäumen ausbrennen. Damit will man gegen invasive Pflanzen vorgehen. Die Aktion mag berechtigt sein – und doch wittere ich dahinter ein geheimes Misstrauen gegen das Fremde und Neue. Ich ersetze das Wort „Pflanzen“ durch „Menschen“ und bekomme des Satz: „Nicht-einheimische, eingewanderte Menschen können einheimische Menschen zahlenmäßig überflügeln und es diesen schwer machen, zu gedeihen und gesund zu bleiben.“ Anders gesagt: Botanische Immigranten nehmen den einheimischen Pflanzen die Arbeitsplätze weg. Und die Frauen!

Einer dieser Umvolkungsgrünlinge ist die Knoblauchsrauke. In Europa ist sie angeblich das älteste Gewürz überhaupt. Hier in Ann Arbor wuchert sie wirklich überall und ist in dieser Jahreszeit das dominante Kraut auf vielen Lichtungen. Die Geschichte dieser Pflanze ist ganz ulkig. Sie kam vor mehr als 200 Jahren in die USA. Und zwar mit Absicht: Europäische Einwanderer haben sie mitgebracht. Jetzt breitet sie sich munter aus und macht Probleme, weil einheimische Tiere und Insekten sie nicht vertragen und davon Magenschmerzen kriegen.

Wenn man sich vorstellt, dass die Pflanze schon hier war, bevor Ann Arbor gegründet wurde von, ähm, europäischen Einwanderern, dann stimmt einen die ganze Aktion aber irgendwie nachdenklich. Manchmal frage ich mich, ob die Leute damit irgendwas kompensieren wollen. Kann natürlich sein, dass ich mich irre.

Angst vor dem Fremden und Neuen haben die hiesigen Singvögel offenbar nicht. Sollten sie aber. Wegen dieser Halunken hier.

Das sind zwei Braunkopf-Kuhstärlinge, Monsieur und Madame, ein Paar wie Bonnie and Clyde: Die beiden stecken voller krimineller Energie. Sie machen es wie der Kuckuck: Abwarten, bis die kleineren Singvögel auf Nahrungssuche sind, flugs die Eier im Nest getauscht – und dann ab an den Strand zum Chillen. Aber beim Fressen, da sind sie immer die Ersten!

Auch in Nickis Haus ist es über Nacht zu einem kriminellen Akt gekommen. Jemand hat den Sack mit dem Vogelfutter angeknabbert und daraus ein paar Sonnenblumenkerne geklaut.

Mal sehen, ob wir auch den Fall ebenso leicht lösen können wie das „Verbrechen am Waldrand“ vor zwei Wochen.

Der überführte Täter von damals hat sich gestern bis auf wenige Meter ans Haus gewagt. Dreistes Volk, diese Hirsche, deren Anzahl sich hier in der Gegend seit 1980 übrigens verfünffacht hat. Verbrechen scheint sich also doch zu lohnen.

Beim Spaziergang hat ein Carolinaspecht das Totholz beackert. Tut nix zur Sache, ich weiß, aber der Kerl sieht irgendwie hübsch aus.

Dasselbe gilt für diesen sehr blauen Indigofink, der noch dazu unscharf geworden ist. Mir egal. Der Bursche ist ebenso schön wie scheu und deshalb meist schon fort, ehe man sein Handy gezückt hat. Also darf er heute mal mitspielen. Ich will eigentlich nur beweisen, dass der Kerl hier im Garten vorbeigeschaut hat.

Gestern im Wald beinahe über ein paar Morcheln gestolpert. Die Michiganders behaupten: Das ist der leckerste Pilz, den die hiesigen Forste zu bieten haben. Diese Exemplare standen aber direkt am Bahndamm und deshalb misstraue ich den Inhaltsstoffen.

Ansonsten ist es sehr kalt geworden – selbst für hiesige Verhältnisse ist das ungewöhnlich. Im Radio hieß es, dass wegen der Fröste zehn bis zwanzig Prozent der Ernte ausfallen werden. Als ich vorhin aus dem Fenster geschaut hab, hat’s kurz geschneit. Dazu fällt mir nun wirklich nichts mehr ein. Ich hatte mir fest vorgenommen, nächste Woche hoch zum See zu laufen und reinzuspringen. Das werde ich mir jetzt wohl verkneifen.

Zum Abschluss noch ein paar Sätze zur Lage in Michigan und ein bisschen Volkshochschule. Die Form des Staates (ohne die Upper Peninsula) erinnert an einen Winterfäustling. Wenn zwei Michigander einander begegnen und fragen, woher man kommt, dann heben sie die rechte Hand und zeigen mit der linken, wo auf der Hand der eigene Heimatort zu finden ist. Finde ich ganz toll (zeigen die Italiener in solchen Fällen eigentlich auf ihren Stiefel? Keine Ahnung).

Der rote Punkt im Bild steht für ein Städtchen namens Owosso, das in den vergangenen Tagen einige mediale Aufmerksamkeit erfahren hat. Dort lebt nämlich ein renitenter Friseur, der trotz Corona-Verordnung am Montag seinen Salon wiedereröffnet hat. Seither geht die Sache hin und her. Er kriegt ein Ticket. Er macht am nächsten Tag wieder auf. Leute kommen von außerhalb, um sich bei ihm die Haare schneiden zu lassen, angeblich versammeln vor seinem Geschäft mehrere Demonstranten. An markigen Sprüchen fehlt es auch nicht. Der Mann sagt, er werde den Laden erst schließen, „wenn Jesus hier persönlich reingestiefelt kommt oder sie mich einsperren.“ Seine Gerichtsvorladung hat er angeblich schon bekommen. Liest alles sehr nach Wild West, wenn ich mich nicht irre.

Außerdem ist morgen Muttertag, weshalb ich hier schon mal meine Mutter grüße, der ich leider schon wieder keinen Kuchen backen kann.

Dafür hab ich Kai geholfen, für Nicki einen zu backen.

Irgendwer profitiert immer. 😉

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