Covid-19 Tote: Wette verloren – Kai kann ein bisschen in die Zukunft sehen

Vor ein paar Tagen habe ich mit meinem alten Freund Kai eine Wette abgeschlossen. Sein Covid-19-Modell hat für die Sterbezahlen vom vergangenen Montag ein Tief vorhergesagt mit einem kräftigen Anstieg bis Mittwoch.

Heute wissen wir: Kai hatte mit seiner Vorhersage im Wesentlichen Recht. Das Schaubild oben stammt von www.worldometer.info und zeigt, wie viele Menschen weltweit von Tag zu Tag an Covid-19 gestorben sind. Der grüne Pfeil markiert das von Kai prophezeite Tief, der rote Pfeil den Anstieg zum Mitte der Woche. Die absoluten Zahlen sehen so aus:

Man könnte sich jetzt beschweren und sagen: Das Tief war ja am Sonntag und nicht am Montag. Aber die Zahlen für den Sonntag sind sonntags noch nicht da, sondern erst am Montag. Wir hätten das bei Abschluss der Wette präzisieren sollen (fun fact: In der Psychologie herrscht genau darüber seit einigen Jahren eine Art Krieg. Immer mehr Forscher gehen dort dazu über, vor einem Experiment genau anzugeben – und zwar öffentlich – wie genau sie ihren Versuch aufbauen wollen, mit welchen statistischen Methoden sie die Daten auswerten und welches Ergebnis sie vorhersagen. Das nennt man „pre-registration“ und macht die Arbeit ungleich härter. Führt aber auch dazu, dass die Ergebnisse zuverlässiger sind; dies nur am Rande).

Kai hat auch selbst Daten zusammengetragen und dargestellt. Ich zeige hier beispielhaft seine Kurven für Deutschland, die Niederlande und die US-Bundesstaaten Washington und Georgia. Die gelbe Zone rechts in der jeweiligen Grafik steht für den Zeitraum, um den wir gewettet haben. Es sieht überall ähnlich aus – und überall etwa so, wie Kai es vorhergesagt hat.

Wie kommt es zu diesen Ausschlägen? Dafür gibt es viele Antworten. Es ist kompliziert. Viele Faktoren spielen da ineinander. Ein Faktor ist jedoch ganz sicher: Wie viel bewegen sich die Menschen eigentlich? Mobilität erhöht die Chance, auf andere Leute zu treffen und sich womöglich anzustecken. Man wird krank. Jetzt könnte man natürlich fragen: Wie sahen die Bewegungsdaten denn einige Wochen vor den Sterbedaten aus, die in den Grafiken oben beschrieben sind?

Kai hat dafür Daten von Google (hellblau) und Apple (dunkelblau) bekommen. Für Deutschland, die Niederlande, Washington und Georgia sieht man da (jeweils in der grauen Zone) folgende Muster:

Interessant, oder? Überall gibt es diesen besonders starken Ausschlag nach unten. An diesem Tag war nämlich Ostern. In Europa hatten da die meisten Läden geschlossen. Statt zu arbeiten, einzukaufen oder sich mit den Großfamilien zum Osteressen zu treffen, sind viele einfach zu Hause geblieben. Auch in den USA hatten die meisten Läden geschlossen oder nur für wenige Stunden geöffnet. Will sagen: Am Ostersonntag sind die Leute viel weniger nach draußen gegangen als an anderen Tagen. Und später im Kalender entdecken wir einen Tag, an dem weniger Leute an Covid-19 gestorben sind.

Was beweist das? Erstmal noch gar nichts. Die Bewegungsdaten in manchen Ländern und Bundesstaaten haben ziemlich gut zu den späteren Sterbedaten gepasst. Das kann Zufall gewesen sein. Oder an ganz anderen Faktoren liegen, die da mit reinspielen, die wir aber (noch) nicht kennen. Außerdem gibt es andere Gegenden – etwa die Schweiz, Portugal oder Michigan – wo der Zusammenhang so nicht zu sehen ist. Woran liegt das? Was lief dort anders? Keine Ahnung.

Jedenfalls hat Kai die Wette meiner Ansicht nach gewonnen. Er muss nicht nackt (oder fast nackt) in die Bille springen. Und ich bin gespannt, wie das Paper aussieht, das er über sein Modell schreibt, was seine Kolleginnen und Kollegen dazu sagen – und was wir als Gesellschaft aus dem Modell alles lernen können.

Wissenschaft ist nie perfekt. Die Leute, die sie betreiben, sind in der Regel schlau und gut ausgebildet. Aber auch sie machen Fehler. Und klar: Das Nichtwissen übersteigt das Wissen. Immer. Und praktisch bei allen Themen dieser Welt. Trotzdem ist Wissenschaft der beste Weg, um gute Antworten zu finden und um uns als Gesellschaft weiterzuhelfen. Und ich find’s spannend, das ab und zu ein bisschen aus der Nähe mitzukriegen.

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