Coronatest in Michigan: mit Geduld und Spucke

Nach drei bis fünf Tagen, so sagen die US-Behörden, soll man sich als Einreisender testen lassen. Also machen Nicki und ich einen Termin. Wir haben uns gleich das erste Zeitfenster des Tages geben lassen. 8 bis 9 Uhr. Später soll es angeblich lange Wartezeiten geben. Mit Geduld und Spucke wird’s schon klappen.

Wie funktioniert das hier mit dem Test? Natürlich wie bei McDrive! Auf einem Parkplatz an der Wagner Road haben sie ein Zelt aufgebaut. Der ganze Prozess läuft so, dass man in keiner Sekunde das Auto verlassen muss. Also: Erstmal in die Schlange fahren. Nicki beeilt sich sehr dabei, wie man unten sehen kann. Wir sind so flink unterwegs, dass schlechterdings kein scharfes Bild zu schießen ist.

Wir haben vorher im Netz alle möglichen Daten angegeben und Dokumente hochgeladen: Perso, Krankenversicherungsnachweis usw. Wie das irgendwann mit der Abrechnung laufen soll, ist mir schleierhaft. Aber, hey, darum kümmer‘ ich mich später.

Nach sieben, acht Minuten fahren wir dann selbst ins Zelt.

Dort gibt es zwei Schalter. Man winkt uns an den hinteren der beiden. Dann den QR-Code aufm Handy zeigen, ein junger Mann reicht uns unsere Testkits durchs Fenster. Wir fahren aus dem Zelt heraus und in eine Parklücke. Überall stehen Schilder, die einem zeigen, wie der Test funktioniert.

Aha! Es handelt sich um einen Spucktest. Ich hab bisher immer nur Popeltests gemacht. Wir säubern unsere Hände mit einem Reinigungstuch, fummeln Röhrchen und Trichter aus den Plastiktüten und spucken hinein, bis das Röhrchen halbvoll ist. Interessant, wie viele Luftblasen sich dabei bilden.

Dann das Röhrchen zuschrauben und in die entsprechende Tüte packen. Alles andere kommt in die Restetüte. Fertig.

Dann ausparken, ein paar Meter weiter stehen zwei Tonnen. Eine für die Probe, eine für den Müll. Man schmeißt seine Sachen ein – fertig.

In der Folgenacht kriegen wir die Ergebnisse zugeschickt. Das heißt: eine Mail mit einem Link. Man klickt auf den Link, eine Website öffnet sich, man muss sich identifizieren und dann kriegt man sein Ergebnis. Negativ. Wie schön.

Coronatests verlaufen vermutlich überall gleich. Nur halt überall ein klein wenig anders. Hier läuft es wie beschrieben. Auch mal interessant.

Heute, am achten Tag nach meiner Ankunft, werde ich zum ersten Mal in geschlossenen Räumen Menschen treffen, die nicht Nicki sind. Freu mich schon sehr drauf.

Was ist sonst so los?

In Michigan hat ein 15-jähriger Junge an seiner Highschool vier Mitschüler erschossen. Die Story ist seit Tagen Aufmacher in den Abendnachrichten. Die Staatsanwältin will die Eltern des mutmaßlichen Schützen drankriegen wegen fahrlässiger Tötung. Ich glaube nicht, dass sie damit durchkommt, trotzdem werden durch die Berichterstattung viele Menschen über Verantwortung reden und vielleicht kann das für die Zukunft was bewirken.

Was ist passiert? Offenbar haben die Eltern dem Jungen die Knarre zu Weihnachten gekauft. Hm. Er hat wohl aus der Schule heraus per Handy Munition bestellt, was einer Lehrkraft aufgefallen ist. Die Lehrkraft hat die Eltern verständigt. Die Mutter schreibt ihrem Jungen daraufhin: „Lol. Ich bin nicht sauer auf Dich. Du musst lernen, Dich nicht erwischen zu lassen.“ Puh. Dann hat wohl eine andere Lehrkraft Zeichnungen des Jungen gefunden, in dem eine Knarre, Patronen und Tote zu sehen sind – und daneben die Worte „überall Blut“ und „die Gedanken hören nicht auf, helft mir“. Man hat die Eltern wohl darüber informiert, aber weder haben die Eltern den Jungen aus der Schule rausgeholt, noch hat ihn die Schule nach Hause geschickt. Auch seltsam. Später am selben Tag hat er dann das Feuer eröffnet.

Die Eltern haben sich auch im Anschluss nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Sie haben wohl eine Vorladung bekommen, sind dann aber nicht erschienen, sondern haben sich irgendwo in Detroit in einem Gewerbegebäude versteckt, wo die Polizei sie gestern aufgestöbert hat. Wie gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eltern verurteilt werden. Auch die ganzen Rechtsexperten hier sagen, dass die Anklage sehr, sehr ungewöhnlich ist. Man regt sich aber trotzdem drüber auf.

Die ganze Sache mit den Schusswaffen hier ist für mich eh nur sehr schwer zu verstehen.

…………………

Eine Kleinigkeit noch aus dem kleinen, privaten Leben. Nicki hatte ein Paket von HelloFresh im Kühlschrank. Das haben wir gestern zubereitet. Ich hab so was noch nie gemacht und bin, glaub ich, von meinen Werten her auch nicht die richtige Zielgruppe dafür. Interessant war’s trotzdem.

Das Konzept von HelloFresh geht so: Sie schicken Dir genau die Zutaten, die Du für ein bestimmtes Rezept brauchst. Genau abgemessen, zum Teil schon vorgeschnitten. Sie überbrücken sozusagen den halben Weg vom geschriebenen Rezept zum Kochtopf. Wie IKEA, nur halt für Essen. Oder wie ne Backmischung von Dr. Oetker, aber mit mehr eigener Arbeit.

Die Botschaft auf der Tüte ist interessant. Sie sagen: „Was wir hier tun, ist gut für die Welt, weil keine Lebensmittel mehr weggeschmissen werden. Wir packen Dir exakt das ein, was Du tatsächlich brauchst.“ Das stimmt. Andererseits: Weil viele Zutaten trotz kleinster Mengen in Plastik verpackt sind, fällt ganz sicher viel mehr Müll an, als wenn man seine Sachen wie üblich im Supermarkt kauft.

Das Rezept ist idiotensicher beschrieben. Handwerklich gut gemacht, würde ich sagen. Viele nehmen das selbstverständlich, aber in meinen Jahre bei verschiedenen Frauenzeitschrift hab ich gelernt, dass Kochrezepte kein banales Genre sind. Man kann dabei ne Menge falsch machen, weshalb ich ein gutes Rezept durchaus zu würdigen weiß.

Am Ende ist das Essen gelungen, wir hatten tatsächlich keine Reste und geschmeckt hat es auch. Außerdem fühlen wir den Stolz, etwas Gutes zumindest zum Teil selbst erschaffen zu haben. In der Verhaltensökonomie nennt man das den IKEA-Effekt: Möbel werden emotional wertvoller, wenn wir sie selbst zusammengeschraubt haben. Essen macht uns stolz, wenn wir’s selbst gekocht haben.

Nicki sagt: Die Konkurrenz von HelloFresh ist der Lieferservice, der Dir ne Pizza bringt. Das hab ich so noch nie gesehen, aber vermutlich hat sie Recht.

HelloFresh ist interessanterweise ne Firma aus Deutschland. Zuletzt hatte sie aber schlechte Presse, weil die Arbeitsbedingungen zumindest hier in den USA angeblich unterirdisch sind und die Firma sich sehr dagegen sträubt, dass die Angestellten sich gewerkschaftlich organisieren.

Ich glaube nicht, dass ich Fan davon werde.

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