bookmark_border„Sag mal, du als Psychologin …“: Wie ein Podcast entsteht

Tatsächlich haben letzthin einige Leute gefragt, wie eigentlich unser Podcast „Sag mal, du als Psychologin …“ entsteht und wie wir dabei arbeiten.

Also los: Seit vergangenem Donnerstag sind … (nachzähl) … 31 Folgen bei Audible erschienen (hier geht’s zur aktuellen Folge). Die einzelnen Folgen dauern nicht selten über eine Stunde und werden von vielen Menschen gehört.
Ich mag die Arbeit sehr. Barbara, Muriel und ich reden meist über viele, viele Studien und fallen einander dabei selten ins Wort. Das hat seine Gründe: Wir machen keinen sogenannten „Laberpodcast“, bei dem man frei drauf los plaudert und sich sozusagen den Winden des Schicksals anvertraut. Wir bereiten uns auf jede Folge vor, sprechen uns ab und wissen deshalb in den meisten Situationen, was als nächstes passiert. Ich gebe zu, dass ich anfangs noch skeptisch war gegenüber dieser Form, aber inzwischen hab ich meinen Frieden damit gemacht. Man kann einfach viel dichter arbeiten und in der begrenzten Zeit mehr Information unterbringen.

Das (zugegeben: nicht sehr gute) Foto oben zeigt, wie so eine Vorbereitung bei mir üblicherweise aussieht. Ich schreibe die Überthemen auf ein Whiteboard und stelle danach wirre Verbindungen her.

Ich liebe das Whiteboard! Es steht auf Rollen und ich kann es im Raum hin- und herschieben, wie ich will. Das Whiteboard zwingt mich, immer wieder aufzustehen, den Blick vom Rechner abzuwenden, in meinen Gedanken Ordnung zu schaffen und einen Überblick zu behalten. Wenn’s dann daran geht, alles in eine Reihenfolge zu bringen, rolle ich das Whiteboard an den Schreibtisch und tippe meine Gedanken nacheinander in den Rechner. Es ist die beste Arbeitsform, die ich jemals hatte.

Bis vor einigen Wochen hab ich noch anders gearbeitet. Ich habe mir für jede gelesene Studie ein paar Notizen in meinen Rechner getippt, die wichtigsten Stichworte auf Flashcards gekritzelt und die Flashcards dann auf dem Fußboden ausgelegt (siehe nächstes Bild). Das geht auch ganz gut aber manchmal muss man den Platz halt freiräumen, weil Besuch kommt oder der Hund läuft durch den Raum und dann ist die ganze schöne Ordnung im Eimer. Das fand ich mit der Zeit eher unbefriedigend.

Ich verwende übrigens immer noch solche Zettel, aber da die grobe Ordnung jetzt auf dem Whiteboard steht, fällt es mir leichter, einzelne Zettelhäuflein zu machen, die auf den Schreibtisch passen. Das gefällt mir besser, der Raum bleibt klarer strukturiert.

Manchmal verliere ich die innere Ordnung, wenn’s im Außen zu chaotisch wird. Ist einfach so. Es geht immer darum, die sehr begrenzten Denkkapazitäten auf das zu richten, was gerade anliegt und alles andere möglichst auszublenden. Das kennt vermutlich jeder, der schon mal was Längeres geschrieben hat.

Am Ende sammeln Barbara, Muriel und ich unsere Gedanken dann in einem gemeinsamen Google-Dokument, auf das wir alle zugreifen können.

Und dann geht’s irgendwann zu Timo ins Studio, wo wir die Sache aufnehmen.

Die Ideen für neue Folgen kommen übrigens zunehmend aus unserer Hörerschaft. Hörerinnen und Hörer schreiben uns eine Email an:

psychologin@audible.de

Wir sichten die Mails (wir können nicht alle direkt beantworten, wofür ich mich entschuldige) und sobald sich da ein Muster zeigt oder wir intuitiv auf etwas anspringen, entsteht daraus eben eine neue Folge. Das gefällt mir sehr gut. Das Verfahren schließt sozusagen eine kommunikative Schleife, unser Podcast wird zum Gespräch mit jenen, die uns zuhören.

Gerade sind wir übrigens mitten in der Vorbereitung zu einer Folge über Stärken und Werte. Die Psychologie dahinter besagt, dass wir alle ein Bündel an Werten haben, die uns antreiben, motivieren und unserem Denken, Fühlen und Handeln eine Richtung geben. Dass wir alle ein Bündel an Charakterstärken besitzen, denen zu folgen sich lohnt.

Wer uns Futter geben will, kann den kostenlosen Stärkentest der Uni Zürich machen, mir seine Daten schicken und dann reden wir darüber in unserer Folge.

Im Moment haben wir nur unsere eigenen Ergebnisse. Darüber können wir natürlich auch sprechen. Aber vielleicht wird die Folge interessanter, wenn wir noch ein paar Stärkenprofile drin haben, die ganz anders sind als unsere.

Jedenfalls freue ich mich auf Euer Feedback und womöglich das eine oder andere Stärkenprofil.

Bleibt geschmeidig!

bookmark_borderKrieg und Lieder

Metzger’s Michigan Monday #8

Hab dieser Tage meine Gitarre umgestimmt: Alle Saiten einen halben Ton tiefer, nur die G-Saite nicht. Man hätte auch nur die G-Saite einen Halbton höher stimmen können, klar, aber dabei gehen wegen der hohen Spannung viele G-Saiten kaputt und das behagt mir nicht.

Jedenfalls ist so eine umgestimmte Gitarre immer eine interessante Intervention. Sie zwingt dazu, mit den Fingern ungewöhnliche Dinge zu tun. Die neuen Akkorde entstammen dann eher dem Zufall und der Intuition und weniger einer rationalen Harmonielehre, sie erwachen wie von selbst und so entsteht die Chance, einem bislang verborgenen Teil der eigenen Seele einen neuen Ausdruck zu geben. Ein neues Lied. Ich schreibe es und nehme es auf und höre es an. Beim ersten Mal denke ich: Aha, ein Song über eine Fahrt an die See. Beim zweiten Mal denke ich jedoch: Ein Song übers Sterben. Interessant.

Ansonsten versperrt die Bahn gerade überall die illegalen Fußwege über die Gleise nach Chicago. Mal sehen, ob sie damit Erfolg haben.

Musste dann beim Spaziergang mit dem Hund an eine Folge aus unserem Audible-Podcast „Sag mal, du als Psychologin“ denken. Mich erreichen dazu immer wieder Anfragen von Hörern und Hörerinnen. Und diesmal ging die Erinnerung um eine Anekdote, die ich in unserer Folge zum Thema „Lampenfieber“ geteilt habe.

Und zwar. Spiele ich ja seit Ewigkeiten Tischtennis im Verein und mache auch Ligaspiele mit und all sowas. An diesen Wettkämpfen hab ich über die Jahre aber immer mehr die Freude verloren. Denn ich wurde dabei immer extrem nervös und habe zunehmend schlechter gespielt.

Seit etwa einem Jahr hab ich dazu aber einen neuen Gedanken, der vieles für mich verändert hat. Er besagt: Ich allein kann diese Sportart nicht ausüben. Ich brauche wen, der mitspielt. Dieser Mensch auf der anderen Seite der Platte ist in diesem Moment mein bester Freund. Ich bin ihm dankbar dafür, dass er mit mir spielt. Wenn er einen guten Ball schlägt, dann freu ich mich darüber, als wär ich sein Trainer. Ich coache meine Gegner inzwischen, während ich mit ihnen spiele. Ich habe den Gedanken von Konkurrenz und Gegnerschaft verwandelt in einen Gedanken von Gemeinschaft. Das hat mir viel Freude am Sport zurückgegeben.

Es läuft wie mit der offen gestimmten Gitarre: Auf den ersten Blick schwäche ich mich selbst. Ich coache meinen Gegner. Ich stimme die Gitarre so, dass die mühsam erlernten Griffe keine schönen Akkorde mehr ergeben. Ich muss neue Griffe erlernen, damit es schön klingt. Aber es verändert das ganze System und bringt wie von selbst die Freude am Lernen und am Spielen zurück.

Aber es gibt auch Schatten. So bei einem Erlebnis hier in Michigan, wo dieser Tischtennistrick nicht gezogen hat. Ich habe gegen jemanden gespielt, der aus einem Kriegsgebiet kam. Das ist mir erst nach unserem Spiel aufgefallen. Schon beim Warmspielen habe ich gemerkt, wie alle Freude des Miteinanders, alle gute Energie den Raum verließ. Es hat keinen Spaß gemacht und war kein schönes Spiel. Später hab ich mit ihm geredet und ihm dabei in die Augen geblickt. Ich habe noch nie solche Augen gesehen. In ihnen war kein Leben und keine menschliche Verbindung. Da war nichts. Es war sehr unheimlich. Ich habe nicht nachgefragt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Mann schlimme Dinge erlebt und vielleicht auch schlimme Dinge getan hat. Mein Instinkt hat mir geraten, mich besser von ihm fernzuhalten und ich bin diesem Rat gefolgt.

Als Student habe ich einmal politische Reden aus dem Deutschland der späten 1920er Jahre analysiert. Häufig bestand die Quelle aus den Mitschriften der heimlich anwesenden Polizei. Sehr oft stand am Ende der Vermerk, dass die Leute im Saal nach der Rede immer lauter diskutiert und sich danach ordentlich geprügelt haben. Es war eine gewalttätige Gesellschaft. Viel gewalttätiger als unsere Gesellschaft heute. Denn fast alle jungen Männer hatten hundertfach den Tod gesehen und selbst den Tod heraufbeschworen über andere. Sowas wird man nie mehr ganz los.

Und in der Ukraine läuft genau dafür gerade wieder ein sehr großes Trainingslager.

Bei meinen Psilocybin-Visionen von neulich habe ich auch den Krieg gesehen und eine sehr archaische Notwendigkeit für Mauern, Wälle und Waffen, um nicht gefressen zu werden. Ich würde gerne schreiben, dass es bestimmt einen Weg gibt, nie wieder kämpfen zu müssen und nie wieder Krieg zu haben. Aber in diesen Tagen glaube ich nicht mehr daran. Es ist alles so viel älter als wir selbst.

Liebe ist eine gute Antwort. Was für ein Satz. Man braucht so viel Glück, um ihn sagen und sehen und leben zu können.

bookmark_borderUnser Podcast steht zwei Wochen auf Platz eins – und ein paar Gedanken über „Affordanzen“

Seit drei Wochen ist der Podcast draußen, bei dem ich irgendwie mit beteiligt bin. Und ich muss sagen: Es ist eine merkwürdige Erfahrung. Und zwar: wegen der Affordanzen des Mediums.

Aber der Reihe nach. „Sag mal, Du als Psychologin … “ steht jetzt seit zwei Wochen fast ununterbrochen auf Platz eins dieser Audible-Hitliste. Das ist natürlich toll. Denn ich habe eine Menge Arbeit in das Projekt gesteckt (und noch mehr Arbeit wird folgen). Es dauert alles erheblich länger, als ich vorher gedacht habe. Deshalb: Wär schon doof, wenn’s keiner hören würde.

Andererseits ist es auch seltsam und befremdlich. Denn warum steht der Podcast da oben? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.

Ein Grund ist vermutlich das Ranking selbst. Rankings sind immer unfair und eine sehr einfache und wirksame Form der Manipulation. Nur ein einziger Spieler profitiert davon – nämlich derjenige, der ganz oben steht. Es gibt Untersuchungen dazu. Allein die Tatsache, DASS ein Podcast dort steht, bringt viel mehr Leute dazu, sich das auch anzuhören, was wiederum höhere Klickzahlen bedeutet. Man steht also noch ein paar Tage länger dort oben, mehr Leute klicken usw. Es ist ein sich selbst verstärkender Mechanismus. Er hat dem Podcast, wie ich vermute, jetzt schon viele Hörerinnen und Hörer verschafft, die sich die Sache ohne das Ranking und die damit verbundenen Sichtbarkeit niemals angehört hätten.

Manche davon werden sich denken: „Och, ganz nett, ich hör mal weiter.“ Darüber freu ich mich.

Aber ganz viele werden natürlich auch denken: „Das ist der größte Mist, den ich je gehört habe.“ Denn dafür findet man ja immer einen Grund. Weil die Show zum Beispiel nicht so gut ist, wie sie sein könnte. Oder weil sonst was im Leben gerade schlecht läuft. Jemand hat sogar behauptet, wir hätten uns abfällig über Dialekte geäußert, was mich als alten, auf dem Land aufgewachsenen Badener, als Schupfnudelmacher, Spätzle- und Dampfnudelkoch natürlich schwer trifft. Mein Sohn meint: „Papa, man kann Dir ja ne Menge vorwerfen – aber DAS???“

Ahhhh, Dampfnudeln!

Naja. Egal. Oben hab ich was über Affordanzen gesagt. Das ist ein schillernder Begriff. Die Leute, mit denen ich hier in den USA abhänge, definieren ihn so: Die Affordanz ist eine Möglichkeit, etwas zu machen. Eine „facettenreiche Beziehungsstruktur zwischen einer Technologie und einem Nutzer, welche innerhalb eines bestimmten Kontexts ein bestimmtes Verhalten ermöglicht oder verhindert“. Ja, sie schreiben kompliziert, diese Professorinnen, wenn man sie lässt. Ich formuliere die Sache für mich gröber aber verständlicher: Eine Affordanz ist das, was man in den Augen eines Users alles mit einer Seite anstellen kann. Zum Beispiel … 
… Kommentare hinterlassen
… Kommentare als hilfreich bewerten
… Bewertungen hinterlassen
… Kommentare und Bewertungen lesen
… Bewertungen als Durchschnittszahl sehen
… Durchschnitts-Bewertung in Stern-Symbolen sehen
… sehen, wie beliebt ein Produkt ist … und so weiter.

Die Eidechse sonnt sich auf dem Stein. Aber sie kann sich auch darunter verstecken. „Sonnendeck“ und „Unterschlupf“ sind die Affordanzen des Steins aus Sicht der Eidechse.

Für Sisyphos bestehen die Affordanzen des Steins in seiner Hochrollbarkeit und seiner Eigenschaft, wieder runterzukullern und dabei von oben missmutig bestaunt zu werden. Und vermutlich gibt’s dazu noch die Affordanz des „täglich im Terminkalender Stehens“. Und die Affordanz der ewigen Dauer, denn die Qual des Helden endet nie.

Am Anfang hält man den Affordanz-Begriff noch für eine Luftnummer, doch in Wahrheit ist er wahnsinnig nützlich, vor allem, um soziale Medien zu verstehen. Ich hätte zum Beispiel Snapchat und den Charme dieser App viel früher verstanden, hätte ich damals schon etwas über Affordanzen gewusst. Snapchat hat damals die „Affordanz der Ephemeralität“ eingeführt. Die geteilten Inhalte waren flüchtig und vergänglich, verschwunden nach wenigen Sekunden. Sie waren wie das gesprochene Wort, der Wind weht es davon. Man spricht offener, wenn man weiß, dass niemand heimlich mitschneidet. Das mochten die jungen Leute. Sie konnten schnell irgendwelche Sachen raushauen, ohne später dafür abgestraft zu werden. Das war toll – und Facebook ratzfatz eine Plattform für Erwachsene mit grauen Schläfen.

Naja. Die oben genannten Affordanzen jedenfalls, die Sterne, Bewertungen und Kommentare und all das – kann sein, dass sie jemandem helfen. Mir helfen sie nicht. Ich glaube, dass sie die falschen Anreize setzen. Ich freu mich aber über Emails und Kurznachrichten. Wenn Ihr die Sache gehört habt und über was diskutieren wollt – immer her damit. Ich rede gerne mich Menschen und glaube, dass Gespräche die Welt und uns selber besser machen.

Ansonsten stell ich mir vor, dass manche ihre Freude an unseren Podcast-Unterhaltungen haben und freu mich darüber, so lange ich kann.

bookmark_borderWer will nen Laden in San Francisco aufmachen?

Gestern nen krassen Spaziergang durch die Oakland Hills gemacht. Man hat da diesen Blick über die San Francisco Bay. Oben auf dem Bild sieht man z.B. die Golden Gate Bridge und rechts davor Alcatraz mitten im Wasser. Es ist wahnsinnig schön hier und ich verstehe, warum so viele Menschen versuchen, sich in dieser Gegend niederzulassen.

Wir sind hier, weil wir der SPSP-Konferenz beiwohnen. Das ist eine Forschungskonferenz, bei der viele schlaue Menschen ihre Studien aus der Sozial- und Persönlichkeitspsychologie vorstellen. Ich war schon häufiger dabei und hab jedesmal irre viel gelernt und – klar – auch neue Geschichten mitgebracht, zum Beispiel für Psychologie Heute oder P.M.

Seit ner Woche hab ich auch diesen Psychologie-Podcast bei Audible am Start. Er heißt „Sag mal, Du als Psychologin“ und ich unterhalte mich dabei mit Barbara Lich und Muriel Böttger über alle möglichen Psycho-Themen. In Folge eins: über Persönlichkeit. In Folge zwei: über Motivation. Diese Folge ist seit heute abrufbar. Checkt es aus und schreibt mir was dazu. Wir fangen erst an damit und können in Zukunft bestimmt viele Dinge besser machen. Vielen Dank für Eure Hilfe!

Ein Wort über den Zugang: Man braucht ein Audible-Abo, um den Podcast zu hören. Das ist einerseits schade, aber andererseits … kann man auch einfach ein kostenloses Probeabo abschließen und sich einen Reminder für in zwei, drei Wochen in den Kalender schreiben. Dann kündigt man wieder und der Spaß kostet gar nix. Und vielleicht bemerkt man unterwegs, dass einem viele der Sachen dort gefallen und dann bezahlt man halt Geld dafür und macht weiter. Alles ist möglich und wer weiß, wohin es führt.

Jedenfalls: Heute in der Mittagspause einen Spaziergang durch San Francisco gemacht. Ganz stumpf: einfach die Market Street runter zum Fähranleger – wie alle Touristen. Ich hab das schon ein paar Mal gemacht in meinem Leben. Vor zwei Jahren haben Nicki und ich ja ne Weile im Silicon Valley gewohnt, bevor uns die Pandemie von dort vertrieben hat.

Die Gebäude in San Francisco sind immer noch hübsch. Manche von ihnen können reden. Dieses Gebäude zum Beispiel sagt: Der S&P 500 hat einen schlechten Tag.

Ich hingegen habe keinen schlechten Tag, denn ich kann mich draußen bewegen, mir einen Kaffee aus einem der Läden holen, mir ein belegtes Brot kaufen, und das belegte Brot schmeckt ausgezeichnet. Außerdem scheint die Sonne, ich lebe also, wie man so sagt, ein sehr privilegiertes Leben. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.

Dennoch komme ich nicht umhin, ein paar Dinge zu bemerken. Zum Beispiel: Vor rund zwei Jahren war hier mehr los. Viel mehr. Wer will nen Laden in San Francisco aufmachen? Keiner! Ich fange irgendwann an, Fotos von all den leerstehenden Läden zu machen. Auf der Market Street gibt es eigentlich keine leerstehenden Läden. Denn dies hier ist eine supersupersupertolle Lage. Zumindest war das vor der Pandemie so. Jetzt hingegen:

Außerdem nehmen die Straßenhändler am Ferry Building nur Bargeld und keine Kreditkarten. Ähhh. Moment. Nein. Es ist genau umgekehrt. Die Straßenhändler nehmen gar kein Bargeld mehr. Es passt alles nicht so richtig zusammen.

Immerhin hab ich hier auf der Konferenz schon ein paar richtig tolle Vorträge gehört.

Über einen der vielen Gründe, warum Frauen seltener als Männer befördert werden.

Über Fake News in den sozialen Medien.

Über ein hammertolles Projekt aus dem Irak, wo man junge Christen und Muslime über gemeinsame Fußballmannschaften wieder miteinander ins Gespräch und sogar in Freundschaften gebracht hat.

Über Interventionen, mit denen man junge Leute dazu bringen kann, weniger zu saufen.

Über Paare während der Pandemie: Wer ist gut durchgekommen und wer nicht (erwartbar: Paare mit Kindern hatten es während der Lockdowns erheblich schwerer als Paare ohne Kinder)?

Dann war da noch dieser wirklich sehr detaillierte Vortrag über die Rolle der Dankbarkeit in romantischen Beziehungen. Ich sehe schon die Überschrift vor meinem inneren Auge: „Wie Dankbarkeit die Liebe stärkt“. Würd‘ ich lesen wollen … aber man weiß nie so richtig, welche Forschungsrichtung am Ende den Zuschlag der Redaktionen kriegt.

Und dann gab’s bei einem der Kaffeehöker noch ne Lebensweisheit to go – ganz umsonst. Life is good.

bookmark_borderPlötzlich hast Du Deinen eigenen Audible-Podcast

Es geht manchmal alles von selbst. Jens Schröder von Geo hat mich gefragt, ob ich nicht mal als Teil eines kleinen Teams was über Psychologie erzählen will. Und – zack! – plötzlich hast Du Deinen eigenen Audible-Podcast!

Jens gehört zu dem Trio, das jede Woche den Podcast „Sag mal, Du als Physiker …“ raushaut – und das inzwischen schon in der sechsten Staffel. Daraus ist über die Jahre ne ganze Podcast-Familie geworden. Das neueste Baby heißt „Sag mal, Du als Psychologin …“. Und seit Donnerstag sind wir damit draußen in der Welt. Ich rede dabei mit der Psychologin Muriel Böttger und der Geo-Journalistin Barbara Lich über alle möglichen Themen: Glück, Dankbarkeit, Kreativität, Lampenfieber, die Liebe – 24 Folgen, jeden Donnerstag kommt ne neue dazu.

In der ersten Folge geht’s um Persönlichkeit. Checkt es aus. Wenn’s Euch gefällt: Hinterlasst ne gute Bewertung. Wenn nicht: Erzählt es mir 😉

Ich finde die Podcast-Arbeit jedenfalls ziemlich aufregend. Es ist ein ganz anderes Spiel als das Schreiben für Magazine, das steht schon mal fest. Es fühlt sich schneller an. Und ich hab das Gefühl, an manchen Punkten trotzdem mehr Tiefe in die Themen zu kriegen. Das Gespräch ist eine gute Literaturform.

Ansonsten hatten wir dieser Tage wieder ein bisschen Neuschnee. Alle möglichen Tiere haben ihre Spuren hinterlassen. Irgendwann schmilzt der Schnee, dann sind die Spuren wieder weg. Der Schnee ist das Medium. Die Spuren sind die Artikel und Bücher, die wir schreiben, die Podcast-Episoden, die wir aufnehmen. Es bleibt alles ein Weilchen, dann ist es wieder verschwunden. Und die Erde dreht sich weiter, weil sie nicht anders kann.

Hier die Tiere – wie gut ist Eure Nase im Spurenlesen?
Hirsch, Waschbär, Truthahn, Katze, Opossum, Kaninchen.
Welcher Abdruck gehört zu welcher Kreatur?
Viel Spaß dabei!

bookmark_border„Wie findet man das perfekte Geschenk?“ – und andere Podcasts, bei denen ich als Psychologie-Schlauwisser eingeladen war

In den vergangenen Monaten hab ich mehr und mehr Zeit damit zugebracht, bei irgendwelchen Podcasts mitzumachen. Die meisten Folgen werden erst im nächsten Jahr erscheinen. Aber so viel kann man jetzt schon sagen: Die Sache bereitet mir Freude, man bezahlt mich leidlich dafür und manchmal kommt nach einer Folge jemand auf mich zu und sagt: „Ich hab mir das gerne angehört.“ Und das gefällt mir natürlich auch.

Dieser Tage ist in der Reihe „Schneller Schlau“ zum Beispiel eine Folge über die Psychologie des Schenkens erschienen. Sie heißt:

Schneller Schlau: Wie findet man das perfekte Geschenk?

Hört’s Euch an, ich spreche dabei mit der unvergleichlichen Christiane Loell darüber, warum es sich beim Schenken um einen asymmetrischen Prozess handelt, warum wir deshalb oft das falsche Geschenk aussuchen und warum bei jungen Menschen diese Gutscheine so hervorragend ankommen, die man in jedem Laden einlösen kann (=Bargeld).

In den Wochen davor gab’s noch mehr Podcasts unter meiner Beteiligung. Da ging’s zum Beispiel um die Fragen:

Sollten wir anderen häufiger ein Kompliment machen?

Wann wird man erwachsen (aus Sicht der Persönlichkeitspsychologie)?

Kann Meditation schädlich sein?

… und dann natürlich noch um die große Lebensfrage:

Wie viele Gründe gibt es, um Sex zu haben?

Ansonsten heute einen Weihnachtsbaum gekauft. Seltsames Wetter: 53 Grad Fahrenheit, also knapp 12 Grad Celsius. Und das, nachdem wir gerade noch Schnee hatten. Sehr windig auch, ich hoffe, dass die Stromleitungen halten (was hier in Michigan ja leider nicht immer der Fall ist).

Weihnachtsbäume scheinen mir auch teurer zu sein als in Deutschland. Dieser hier hat zum Beispiel 65 Dollar gekostet. Viel Geld. Aber schön ist er, das muss man zugeben.

bookmark_borderTrue Crime und mein Schock in der Schule

Am Wochenende war ich ja in der Schule, um jungen Leuten was über Journalismus zu erzählen. Nach einer Weile kamen wir in einen Dialog und dann auch bald zwanglos zu der erwartbaren Frage: „Wofür interessiert Ihr Euch denn so???“

Wofür die Jungs sich Interessen, weiß ich immer noch nicht.

Die Mädchen jedenfalls interessieren sich für True Crime-Podcasts. Und zwar, wie man an Stimmlage, Gestik und Mimik unschwer ablesen konnte: mit der allergrößten Begeisterung.

Und klar: Ich erinnere mich an die alte Weisheit aus dem Buchhandel, dass „Krimis von Frauen gekauft und gelesen werden“. Aber dass schon die 17-Jährigen so heftig auf das Genre abgehen, hat mich dann doch auf dem falschen Fuß erwischt.

Hab grad viel Arbeit, deshalb nur ein paar Funde dazu. Eine Studie aus dem Jahr 2018 hat ergeben: Die Zuhörerschaft bei True Crime-Podcasts ist zu 73 Prozent weiblich. Die meisten Leute hören sich so was an, um sich zu unterhalten, weil’s irgendwie bequem ist und weil sie einfach Langeweile haben. Offenbar hatten die Frauen in der Zielgruppe eine leicht andere Motivation als die Männer. Sie hören die Shows eher gemeinsam mit anderen Frauen (oder um hinterher drüber reden zu können), um sich für eine Zeit aus ihrem grauen Alltag wegzubeamen und aus Gründen des Voyeurismus. Mord, Totschlag, sexuelle Gewalt – man will einfach wissen, was hinter den Haustüren der anderen so zum Alltag gehört.

Eine der Autorinnen hat inzwischen ihre Dissertation über besagtes Genre raugehauen. Darin findet man noch mehr interessante Sachen. Dort steht: Die MacherInnen der Sendungen haben sich längst auf ihre wichtigste Zielgruppe eingeschossen. Sie erzählen überwiegend Geschichten, in denen die Opfer heterosexuelle, weiße Mittelklassefrauen sind. Damit sich die Kundschaft besser mit dem Stoff identifizieren kann. Clever!

Doch der weibliche Hang zu True Crime-Podcasts scheint noch eine weitere Ursache zu haben, wie die Dissertation vermerkt: Viele Frauen sehen den Real-Krimi auch als eine Art Schule des Lebens. Man möchte vorbereitet sein, wenn das Böse zuschlagen will: „My findings echo findings from earlier studies on women who read true crime novels, showing that women like reading novels with female protagonists and that they want to learn survival skills in case of an attack.“

Das war’s schon für heute. Ich kenn das Genre nicht. Keine böse Absicht, hab meine Zeit einfach mit anderen Dingen zugebracht. Wollte nur mal meinen persönlichen „Schock in der Schule“ mit Euch teilen und ein paar schnelle Erklärungen hinterherschmeißen. Welche gibt es noch? Was hab ich übersehen? Was fasziniert Euch an solchen Podcasts? Interessiert mich wirklich. Schreibt mir.

Bis bald.