bookmark_borderWo Hemingway seine Einfälle hatte

Metzger’s Michigan Monday #12

Fragt mich nicht, warum wir dort waren. Es war eine Verkettung seltsamer Umstände und es war nur für ein paar Tage. Jedenfalls: Key West, Florida, südlichster Punkt der Festland-USA. Es gab einen Strand dort und ein Meer, dessen Wasser sehr salzig geschmeckt hat. Ich war beim Schnorcheln auf einmal von fast einem Dutzend Barrakudas umringt, hab fischende Pelikane beobachtet und in der Sonne gelegen, während die Truthahngeier über den Pinien kreisten.

Key West ist wie Westerland, nur mit besserem Wetter. 

Überall laufen wilde Hähne und Hühner rum. Man soll sie nicht füttern. Die Hähne krähen bereits um fünf auf der Straße.

In den Touristenshops verkaufen sie T-Shirts mit alten Sprüchen, in denen es um ranzige Sexfantasien geht, Schusswaffengebrauch und exzessiven Alkoholkonsum.

Politisch hat man sich auf eine trumprepublikanische Stammkundschaft eingestellt. Nicki beim Blick auf ein T-Shirt: „Was bedeutet #FJB?“
„Fuck Joe Biden“, sagt eine vorbeischlendernde Stimme, ohne Blickkontakt aufzunehmen.

Insgesamt wird in Key West extrem viel gesoffen. Auf dem Schnorchelboot schenkt eine junge Frau im Bikini Mimosas aus auf dem Weg zurück zum Hafen. Um 16 Uhr haben die meisten Gäste in den Bars und Restaurants schon richtig gut einen im Kahn. Überall singt jemand zur Gitarre, zum Teil sehr gute Leute, für deren Einstellung ich nichts als Bewunderung empfinde. Die Sängerin im „The Bull“ haut sich durch ihr Abendset, als hätte sie den ausverkaufte Madison Square Garden unter sich. Sensationell. Woher nimmt die bloß ihre Energie?

Erst auf dem Heimweg gen Michigan fällt mir auf, dass der ganze Ort, das ganze Nest namens Key West seit mehr als hundert Jahren, auf einem einzigen, raffinierten Geschäftsmodell beruht. Aber der Reihe nach.

Wenn man wie ich, sein Geld mit dem Schreiben verdient, geht man natürlich zum „Ernest Hemingway House“ in der Whitehead Street. Eintritt: 17 Dollar. Man akzeptiert nur Bargeld. Lässt sich mit dem Finanzamt einfach besser abrechnen, nehme ich an. Ich hab hier schon vor Zeiten mal ein paar Takte über Hemingways Sprache rausgehauen.

Der Meister hat acht Jahre lang in Key West gewohnt und es scheinen nicht seine schlechtesten gewesen zu sein. Heute leben dort 58 Katzen, vielen von denen haben an den Vorderfüßen sechs Krallen. Angeblich befuhren ihre Ahnen die Weltmeere als Mäusefänger auf US-Schiffen. Mehr Krallen, mehr Beute, so die Logik. Vielleicht auch mehr Aggression? Manche Touristen versuchen, die Katzen zu streicheln. Keine gute Idee. Der junge Mann, der uns durchs Haus führt, trägt mehrere schlecht vernarbte Kratzwunden an den Armen.

Jedenfalls hat Hemingway das Haus nicht selbst gebaut. Das hat ein gewisser Asa Tift getan. Das war zu seiner Zeit der reichste Mann von Key West. Er besaß Schiffe und Lagerhäuser. Beides waren goldene Investitionen. Denn immer wenn – Unglücke geschehen – ein Schiff die Leuchtfeuer der Insel falsch gedeutet und das Riff gerammt hatte, rückte der gute Asa aus, um Besatzung, Ladung und Schiff vor dem Untergang zu retten. Manchmal, wie man hört, sogar in genau dieser Reihenfolge. Es muss ein irrsinnig einträgliches Geschäft gewesen sein. Und das, obwohl sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen fürs Handwerk schon während Asas Kindheit deutlich verschlechtert hatten: 1822 fing die US-Regierung nämlich an, Geld einzutreiben und damit staatliche Signaltürme auf den Keys zu bauen. Ein Jahr später stellte Florida das Setzen falscher Leuchtfeuer unter Todesstrafe. Asa jedenfalls war ein sehr reicher Mann und sein Haus geriet entsprechend protzig. Nach seinem Tod stand es lange leer, angeblich weil niemand auf der Insel den hohen Kaufpreis bezahlen konnte.

Das ging so lange, bis Hemingway mit seiner zweiten Ehefrau hierher kam. Beide mochte das Klima und Hem konnte regelmäßig ins Sloppy Joe’s (hier der links zur live cam) rüberwanken, um mit seinen Kumpels am Tresen für seine nächste Kurzgeschichte zu recherchieren. Im Hemingway-Haus hängt tatsächlich dieser (deutschsprachige) Donald-Duck-Comic, der den Dichter beim Weg in sein Stammlokal zeigt. Heute ist das Sloppy Joe’s eine Bierbar der gröberen Sorte, wie man sie in Hamburg am Hans-Albers-Platz findet.

Hemingway konnte andauernd zum Fischen raus aufs Meer fahren. Er hat gut gefangen, wie die Fotos bezeugen, die man überall in den verschiedenen Kneipen rund um die Duval Street und unten an der Marina bewundern kann. Wie hätte Freud wohl den Rutenhalter kommentiert, den sich Hemingway auf dem Foto vors Gemächt geschnallt hat?

Auf dem Grundstück findet sich auch ein schmuckes Nebengebäude mit großzügigem Arbeitszimmer im ersten Stock und anliegendem Klo.

Hier hatte Hemingway seine guten Einfälle: Mehr als die Hälfe seiner zu Lebzeiten veröffentlichten Werke soll er in Key West geschrieben haben. Sagen sie zumindest in Key West.

Und damit sind wir beim Thema. Ich hab früher ja häufiger mal Reisegeschichten geschrieben, was mir seither manchen Urlaub versaut hat. Man läuft dann durch die Straßen und hat immer diesen einen Gedanken im Kopf: „Wo ist die Geschichte?“

Hier beginnt die Geschichte so: Das Hemingway-Haus ist eigentlich gar nicht das Hemingway-Haus. Der alte Angeber hätte sich die Hütte niemals leisten können. Bezahlt hat sie „Uncle Gus“, der reiche Onkel von Hems zweiter Ehefrau Pauline Pfeiffer. Gus besaß damals eine ziemlich gut laufende Pharmafirma, die über mehrere Stufen inzwischen in eine noch besser laufende Pharamafirma namens Pfizer aufgegangen ist. Als Hemingways Ehe dann 1940 geschieden wurde, war’s für den Dichter vorbei mit fürstlichem Arbeitszimmer, täglichen Angeltrips und eigenem Box-Ring unter Palmen. Die Bezeichnung „Hemingway-Haus“ ist natürlich nicht komplett gelogen. Aber so richtig wahr ist sie eben auch nicht. Sie ist eine Art „false Light“, ein falsches Leuchtfeuer wie aus den Tagen der Strandräuberei, um Fremde ein wenig vom Weg abzubringen und ihnen tiefer in die Taschen greifen zu können. Genau das ist: Key West.

So auch auf der Duval Street, der Vergnügungsmeile der Insel. Was einem dort sofort auffällt, sind die vielen, vielen Coffeeshops. Sie werben mit großen, grünen Hanfblättern überm Eingang. Hm. Seltsam. Hier riecht es so gar nicht nach Amsterdam. Wir also rein in einen Laden und den Mann hinterm Tresen gefragt.
Ich so: „Ist Cannabis denn legal in Florida?“
Er so: „Nö, ist es nicht.“ Man nimmt einfach Hanf, das keine berauschenden Stoffe enthält, rollt die Blätter zu Joints und verkauft sie an arglose Touristen. „Den Rest erledigt die Placebo-Wirkung“.
Eine dieser Sport-Zigaretten kostet 20 Dollar – ein richtig gutes Geschäft.

Dasselbe mit den Zigarren. Mehrere Läden prahlen damit, Zigarren aus Kuba zu verkaufen. Sie werben mit kubanischen Marken, kubanischer Flagge und allem. Ich also rein in so einen Laden und den Verkäufer gefragt: „Kommen die Dinger echt aus Kuba?“
Er so: „Nein, nein, wir haben doch noch immer unser Embargo gegen Kuba.“
Und ich so: „Hmmm, Euer Schild da draußen sagt aber …“
Er winkt ab: „Naja, ein paar der Tabak-Setzlinge waren früher tatsächlich mal auf Kuba. Dann hat man sie in die Dominikanische Republik verfrachtet und dort erledigt man heute den ganzen Rest.“ In einem anderen Laden behauptet der Verkäufer, sie würden den getrockneten Kuba-Tabak nach Honduras schippern und dort dann zu Zigarren rollen lassen.
Kurz gesagt: Man verkauft kubanische Zigarren, die gar nicht aus Kuba kommen. Für 22 Dollar das Stück. Ein richtig gutes Geschäft.

Dasselbe Spiel beim kubanischem Kaffee. Natürlich kommt der Kaffee, wenn man nachfragt, nicht wirklich aus Kuba. „Wir haben doch das Embargo.“ Das Pfund kostet jedenfalls 20 Dollar. Ein sehr gutes Geschäft.

Dasselbe mit den Seekühen. Die gibt es tatsächlich in der Gegend. In der Marina hängen überall Schilder, die auf diesen Meeressäuger hinweisen. Ich frage einen Kellner: „Habt Ihr hier denn Seekühe?“
Er so: „Naja, direkt hier natürlich nicht … aber anderthalb Meilen weiter in dieser anderen Marina …“
Als wir dann anderthalb Meilen weiter verschwitzt an dieser anderen Marina stehen, gibt’s dort natürlich auch keine Seekühe. Dafür, so verrät uns eine Website, müsste man am besten nochmal ein paar Meilen weiter durch die Sonne latschen. Aber auch da braucht man Glück. Und am besten mietet man eh ein Boot mit Guide.


Immerhin: Die Sache mit den Seekühen war umsonst. Gekostet hat sie uns lediglich Schweiß. Mit einigem Nachdenken lässt sich bestimmt auch daraus noch ein richtig gutes Geschäft machen.

Ich will aber nicht meckern. Mir hat es gefallen da unten. Man trifft interessante Leute, die einem ihre komplette Lebensgeschichte erzählen, und am Ende muss man zugeben, dass alle was zu erzählen haben. Jeder Mensch: ein Universum.

Hier noch ein Bild vom Sonnenuntergang. Er war auch ohne Filter ganz schön. Ich hab den Schuss aber vorsichtshalber durch meine Sonnenbrille gemacht. Sah damit noch cooler aus. In Key West, da gehört sich das einfach so.

bookmark_borderPlötzlich hast Du Deinen eigenen Audible-Podcast

Es geht manchmal alles von selbst. Jens Schröder von Geo hat mich gefragt, ob ich nicht mal als Teil eines kleinen Teams was über Psychologie erzählen will. Und – zack! – plötzlich hast Du Deinen eigenen Audible-Podcast!

Jens gehört zu dem Trio, das jede Woche den Podcast „Sag mal, Du als Physiker …“ raushaut – und das inzwischen schon in der sechsten Staffel. Daraus ist über die Jahre ne ganze Podcast-Familie geworden. Das neueste Baby heißt „Sag mal, Du als Psychologin …“. Und seit Donnerstag sind wir damit draußen in der Welt. Ich rede dabei mit der Psychologin Muriel Böttger und der Geo-Journalistin Barbara Lich über alle möglichen Themen: Glück, Dankbarkeit, Kreativität, Lampenfieber, die Liebe – 24 Folgen, jeden Donnerstag kommt ne neue dazu.

In der ersten Folge geht’s um Persönlichkeit. Checkt es aus. Wenn’s Euch gefällt: Hinterlasst ne gute Bewertung. Wenn nicht: Erzählt es mir 😉

Ich finde die Podcast-Arbeit jedenfalls ziemlich aufregend. Es ist ein ganz anderes Spiel als das Schreiben für Magazine, das steht schon mal fest. Es fühlt sich schneller an. Und ich hab das Gefühl, an manchen Punkten trotzdem mehr Tiefe in die Themen zu kriegen. Das Gespräch ist eine gute Literaturform.

Ansonsten hatten wir dieser Tage wieder ein bisschen Neuschnee. Alle möglichen Tiere haben ihre Spuren hinterlassen. Irgendwann schmilzt der Schnee, dann sind die Spuren wieder weg. Der Schnee ist das Medium. Die Spuren sind die Artikel und Bücher, die wir schreiben, die Podcast-Episoden, die wir aufnehmen. Es bleibt alles ein Weilchen, dann ist es wieder verschwunden. Und die Erde dreht sich weiter, weil sie nicht anders kann.

Hier die Tiere – wie gut ist Eure Nase im Spurenlesen?
Hirsch, Waschbär, Truthahn, Katze, Opossum, Kaninchen.
Welcher Abdruck gehört zu welcher Kreatur?
Viel Spaß dabei!

bookmark_borderHappy End mit Stromausfall

Das Interessante an Büchern und Filmen ist ja, dass sie irgendwie „ausgehen“. Das hat uns als Kinder immer am meisten interessiert. Jemand hatte ein Buch gelesen, wir noch nicht. Wir kannten nur den Anfang oder ein paar Grundfiguren. „Und, wie geht’s aus?“ – das war die wichtigste Frage. Dasselbe im Fernsehen. Damals war’s ja so: Ein Film lief einmal – und wenn man nicht aufbleiben durfte oder den Film aus sonstigen Gründen „verpasst“ hatte, dann war es das eben für die nächsten Jahre. Vielleicht sogar für immer. „Wie ist es ausgegangen?“ Es war immer dieselbe Frage.

Ich persönlich wollte immer, dass es „gut ausgeht“.

Denn wir wissen ja alle, wie unser Leben endet: Man stirbt und ist dann tot. Man weiß es vorher. Wie also kann ein Leben „gut ausgehen“? „In den Himmel kommen“ schien mir als Chance zwar plausibel, aber auch relativ abstrakt. Die Panik vor der eigenen Sterblichkeit hat im Kindergarten angefangen und dann sehr lange angehalten. Jeder Film und jedes Buch, das zu Ende ging, fühlte sich an wie ein Probelauf dafür. Es war immer ein großer Verlust. Dass die Erzählung für die Heldinnen und Helden gut ausgegangen war, tröstete immerhin ein wenig. Die offenen Enden oder gar die „auf der letzten Seite sind dann endlich alle tot“–Variante hab ich stets als düstere Zumutung empfunden. Warum den Schmerz mit Absicht verdoppeln?

Dieser Tage in Michigan reden jedenfalls alle vom Wetter. Bis kürzlich war’s noch: kalt und trocken. Der Fluss komplett zugefroren, mehr als zehn Zentimeter dick die Eisschicht, wir haben einen jungen Mann gesehen, der mit dem Fahrrad über den See gefahren kam.

Heute zum Frühstück fielen dann die ersten Flocken.

Der Wetterdienst sagt, dass wir bis zum nächsten Frühstück bis zu 40 Zentimeter Neuschnee kriegen könnten. Das ist sehr viel Schnee für meine Verhältnisse. Hab vorhin die Zufahrt geschippt und „Weg gemacht“, wie man in meiner alten Heimat sagt. Der letzte Schnee war trocken, leicht und pulverig. Dieser Schnee ist eine schwere Pampe. Ich fürchte, er wird für manchen Baum eine zu große Last. Die Bäume knicken dann, sie fallen in Leitungen – und wir haben keinen Strom. So könnte es kommen, aber man weiß es halt nicht genau.

Ich hoffe, die Sache geht gut aus. Mit Stromausfall oder ohne. Jetzt erstmal: Holz ins Haus bringen. Kerzen bereitlegen, den kleinen Gaskocher aus dem Keller holen für alle Fälle. Hund und Katze haben es sich schonmal gemütlich gemacht.

bookmark_borderSegler auf dem Eis

Es ist tüchtig kalt dieser Tage. Der See ist seit Tagen zugefroren, und die Leute machen sich ihren Spaß daraus. Kinder spielen Eishockey. Am Samstag seh‘ ich hier zum ersten Mal zwei Eissegler. Der Wind ist schwach, aber wenn sie ne günstige Brise erwischen, dann nehmen die Jungs gut Fahrt auf. Klar eigentlich: So richtig viel Reibung gibt es nicht auf dem Eis.

Direkt am Damm macht der See unterm Eis merkwürdige, basslastige Geräusche. Unheimlich. Vielleicht liegt es an der Strömung, die unterhalb der Eisschicht immer noch Richtung Wasserfall drängt.

Gestern dann einmal um den See herumgewandert. Am anderen Ufer stehen die Eissegler. Das sind keine besonderes neuen Geräte, aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass das ein sehr schönes Hobby sein kann.

Gerade nachgesehen. So richtig teuer müssen die Dinger gar nicht zu sein. Im Netz verkauft jemand aus Ohio zwei Boote inklusive Segel für je 500 Dollar.

Dann entdecken wir nah am gegenüberliegenden Ufer zwei Leute auf dem Eis, die sich merkwürdig bewegen. Sie tragen keine Schlittschuhe, so viel steht schon mal fest. Durch den Feldstecher wird dann klar: Es handelt sich um Eisangler. Sie bohren sich gerade ihre Löcher. Später dann sehen wir, wie sie ein Zelt über eines der Bohrlöcher stellen. Freunde haben mir erzählt, dass Eisfischen hier in Michigan ne große Sache ist. Auch cool, irgendwie.

Am Ende macht Coco einen kleinen Ausflug über den See, Neugier und Übermut treiben sie hinaus. Sie will, dass wir Stöckchen werfen. Sie bewegt sich tapsig und schlitternd wie ein Welpe. Das Eis macht alle wieder jung. Der Winter ist eine schöne Jahreszeit. Aber kalt.

Gestern haben sie hier im Übrigen den Präsidenten der Uni gefeuert. Er hatte wohl eine Affäre mit einer Mitarbeiterin. Und sie haben sich Sachen über die Geschäftsmail geschickt. Keine gute Idee. Viele der Mails stehen jetzt einfach so in der Zeitung und alle reden darüber. Es gefällt mir nicht. Ich finde es übertrieben. Aber das ist Kultur. Ich muss in den nächsten Tagen nochmal was dazu sagen.

bookmark_borderAngeblich können wir 4000 Wörter pro Minute denken

Dies ist eine Landkarte. Wir haben sie am Eingang des Waldes entdeckt, der in der Nachbarschaft rumsteht. Man kann sich damit prima orientieren. Die Landkarte ist ein Bild. Sie ist eine Sammlung von Gedanken. Sie ist viele Gedanken zugleich. Viele Gedanken, die miteinander zusammenhängen. All das macht die Welt um uns her auf einmal erklärbar und verstehbar. Man kommt nicht mehr vom rechten Wege ab. Eine meisterhafte Erfindung. Sie macht, dass ich Stolz empfinde auf die Menschheit und all ihre Hervorbringungen.

Dieser Tage hab ich ein Buch gelesen, das im nächsten Jahr in deutscher Übersetzung auf den Markt kommt. Geht mal wieder um Psychologie. Darin lese ich von einer Studie aus den 90er Jahren. Es geht um unsere Gedenken. Diese innere Stimme, die da die ganze Zeit vor sich hin plappert. Wie schnell redet diese Stimme eigentlich? Wie schnell können wir denken? Die Studie behauptet, dass wir innerhalb einer Minute 4000 Wörter denken können. Das ist wahnsinnig viel Stoff in sehr kurzer Zeit. 13 bis 14 Buchseiten in einer Minute. Ein ganzer Schinken wie „Krieg und Frieden“ in zwei Stunden. Irre.

Trotzdem fällt mir mal wieder auf, dass es einfach unmöglich ist, sehr viele Fragen in angemessener Tiefe zu durchdenken. Man schafft das immer nur für ein paar Dinge. Bei den meisten anderen Dingen schafft man es nicht. Und dann vergisst man natürlich fast alles wieder. Oder hat es gerade nicht parat. Der Geist ist ein Schreibtisch, bis obenhin zugemüllt mit Büchern, Heften und Aktenordnern. Und klar: Da können immer nur ein paar Bücher, Hefte oder Ordner ganz oben liegen. Den Rest müsste man erstmal suchen, um drin lesen zu können.

Deshalb sind wir wahnsinnig schlau und wahnsinnig dumm zugleich.

Ob die Sache mit den 4000 Wörtern stimmt, weiß natürlich kein Mensch. Die Methode der Studie überzeugt mich nicht besonders. Wenn heute ein Forschungsteam versuchen würde, dieselbe Sachen rauszukriegen, würde vermutlich eine ganz andere Zahl rauskommen. Man darf gerade in den weichen Wissenschaften nicht alles so wörtlich nehmen.

Ne gute Story ist es trotzdem.

Ich brauch noch ein Geschenk für Weihnachten. Oder zwei.

Mein Gehirn braucht für diesen Gedanken nur den Bruchteil einer Sekunde. Aber wenn ich dran denke, dass ich das Zeug auch wirklich besorgen muss, fühle ich mich wie Coco aufm Sofa. Hundemüde.

bookmark_borderDer Advent hat noch nicht angefangen – und schon ist er vorbei

Der Hund und die Katze haben es sich gemütlich gemacht. Der Advent juckt sie nicht. Mich aber schon: Er ist vorbei, ehe er richtig angefangen hat. Ich bin bestürzt.

Woran liegt’s? Mal wieder daran, dass a) zu viel Arbeit war und ich b) so doof war, sie auch noch zu machen. Das ist eine ungünstige Kombination, wenn man sich innerlich aufs Weihnachtsfest vorbereiten will. Plötzlich sitzt man unterm Christbaum und denkt heimlich an die nur halb abgehakte To-Do-Liste. Scheiß-Kapitalismus!

Das Wetter dagegen hat letzthin mächtig den Zaunpfahl geschwungen. Gestern zum Beispiel waren die Zweige vereist, was sehr schön aussah.

Von der Brücke über dem Huron River hingen kleine Eiszapfen, als hätte das Eisengeländer einen schlimmen Schnupfen und keine Taschentücher dabei.

Und hier dasselbe nochmal flussabwärts geknipst:

Also: Kekse gebacken. Meine Mutter hat mir ein Rezept zugeschickt. Dann waren aber nicht alle Zutaten am Start. Keine Zitrone mehr im Haus. Also den Saft aus einer dieser Plastikflaschen genommen. Keine Haselnüsse da. Also ein paar Walnüsse in der Tüte kleingekloppt. Vanillin-Zucker gab’s auch nicht (was ist los mit Dr. Oetker???). Und das Mehl hier ist auch irgendwie anders als das Mehl in Deutschland. Im Moment lautet meine Faustregel, dass ich ungefähr 30 Prozent mehr Mehl reinkippen muss, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Muss mich mal schlau machen, woran das eigentlich liegt. Ausstechformen waren auch keine da. Also ein Sektglas genommen. War zu groß. Aber egal. Die Kekse sind sehr lecker geworden.


Jetzt muss ich nur noch in die Stadt, um Geschenke zu besorgen.

Omikron wird keine Welle, sondern eine Wand, hab ich heute in der Zeitung gelesen.

Hab also versucht, ne Booster-Impfung zu kriegen. Im Netz rumgemacht. Zu Apotheken gefahren. Rumgefragt. Aber es hilft alles nix. Sie boostern mich erst, wenn genau sechs Monate seit der Zweitimpfung vergangen sind. Keinen Tag vorher. Die Amerikaner sind manchmal deutscher als die Deutschen, wenn ich nicht dabei gewesen wäre, ich würd’s nicht glauben.

Naja.

Back ich bis dahin halt noch n paar Kekse.

bookmark_borderAnstrengende Menschen – und warum’s vielleicht ne gute Idee ist, ab und zu mal Psychologie Heute (oder P.M. oder Geo oder brand eins) zu kaufen

Dieser Tage wieder Podcasts aufgenommen. Kommt alles erst im Jahr 2022 und ist für ne neue Show. Ich kann noch nicht drüber reden – aber ich glaube, die Sache wird gut.

Das T-Shirt ist sehr hässlich, der Kauf war reine Notwehr: Bin völlig durchgeschwitzt aus der S-Bahn gekommen und musste schnell ins Studio. Also: Hurtig rein zu C&A, das Ding gekauft und weiter – nur damit meine beiden Mitstreiterinnen später im Studio nicht total von mir zugestunken werden.

Das war in Hamburg und jetzt hab ich halt die nächsten Podcast-Folgen aus Michigan aufgenommen. Das T-Shirt gehört irgendwie zur Familie und deshalb werd ich das jetzt immer tragen, wenn Aufnahmen anstehen.

Dann ein Wort zur Überschrift: Wohlmeinende Freunde erkennen, dass es sich hier um eine so genannte „Text-Bild-Schere“ handelt. Die Headline sagt „anstrengende Menschen“, auf dem Bild darunter sieht man diesen überaus angenehmen und pflegeleichten Zeitgenossen am Mikrofon. Was soll das? Nun, es handelt sich um ein selbstironisches Statement, denn jeder Mensch kann anstrengend sein, ich natürlich auch. Ich glaube, dass in diesem Moment gleich mehrere Menschen wissend nicken werden.

Jedenfalls habe ich für Psychologie Heute Compact gerade eine größere Story über „Schwierige Beziehungen“ geschrieben. Zeile: „Du bist so anstrengend“. Im Vorspann liest man:

Ganz spanend, oder? 20 Leute, die uns auf die Nerven gehen! Vermutlich fallen jedem von uns zwanglos ein paar Namen ein. Ich bemühe in meiner Geschichte ein paar archetypische Vertreter dieser Menschen- bzw. Beziehungs-Sorte:
– Voldemort,
– die kleine Meerjungfrau,
– Kain – und natürlich seinen Bruder Abel; die beiden kriegt man ja praktisch nur im Doppelpack.
Bei schwierigen Beziehungen scheint häufig unsere Kindheit mit im Spiel zu sein. So als Faustregel lohnt es sich, nochmal einen Blick auf alte Geschwisterkonflikte zu werfen, wenn man denn welche hatte. Relativ häufig bringen wir als Erwachsene nämlich dieselbe Show noch einmal auf die Bühne – nur halt mit ner anderen Besetzung. Besonders interessant wird’s dort, wo wir insgeheim glauben: Bei uns wurden nicht alle Geschwister gleichermaßen von den Eltern geliebt. Davon hat nämlich keiner was, auch die „Lieblingskinder“ scheinen nix davon zu haben, wenn man der Forschungsliteratur glauben darf. Die ungleichverteilte Liebe erschafft tendenziell misstrauische Erwachsene. Misstrauen erschafft schwierige Beziehungen. Zumindest tendenziell.

Die komplette Geschichte steht (wie fast immer bei Psychologie Heute) hinter einer Paywall, man muss sie also kaufen. Oder besser noch: gleich das ganze Heft. Und warum auch nicht? Ohne Leute, die das Heft kaufen, gibt’s das Heft bald nicht mehr. Mit den verkauften Heften bezahlt man Leute wie mich, also Leute, die all die Studien lesen, damit Ihr sie nicht lesen müsst. Ein fairer Deal, wie ich finde. Man wird im Übrigen nicht dümmer von der Lektüre. Oder noch besser: Wenn Ihr noch kein Geschenk zu Weihnachten habt, dann schenkt doch ein Jahresabo! Every penny counts.

In der Dezember-Ausgabe von Psychologie Heute ist außerdem gerade ein Interview erschienen, das ich mit Prof. Michael Siegrist aus Zürich geführt habe. Die Überschrift lautet: „Unsere irrationale Liebe zur Natur“. Siegrist erforscht seit Jahren, was wir alles glauben, fühlen und denken, wenn wir von „Natur“ und „Natürlichkeit“ sprechen. Antwort: Wir glauben, fühlen und denken dabei ne ganze Menge. Und vieles davon ist totaler Quatsch. Das hat Folgen. Man kann uns darüber zum Beispiel Dinge verkaufen, die wir eigentlich gar nicht brauchen und wollen.

Auch diese Story steht natürlich hinter einer Paywall. Es hilft alles nix.

Aber ein paar Sachen kann ich vielleicht daraus zitieren, sozusagen als Teaser. Also hier:

„Wir haben dazu eine Studie gemacht. Da haben wir eine Schokomousse gekauft und ein paar Probanden zu einer Verkostung eingeladen. Der einen Gruppe haben wir gesagt: „Da ist natürliches Vanille-Aroma drin.“ Der zweiten: „Da ist künstliches Vanillin drin.“ … Dann haben wir gefragt, wie gut es geschmeckt hat – und einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen entdeckt. Den Menschen mit dem natürlichen Vanille-Aroma hat die Sache messbar besser geschmeckt als den Menschen mit dem synthetischen Vanillin – obwohl alle genau das Gleiche gegessen haben.

Wir reden auch über die religiösen Motive in unserer „Natürlichkeits-Verzerrung“. Wenn Euch die Sache interessiert, kauft bitte das Heft. Wie gesagt: Ihr haltet damit einen Berufsstand am Leben. Ich sag das übrigens weniger für mich selbst, als es jetzt den Anschein hat. Wenn’s keinen Wissenschaftsjournalismus mehr gibt, dann mach ich halt was anderes. Jobs gibt’s genug (und sie werden meist auch deutlich besser bezahlt). Aber wie gesagt: Im Moment gibt’s Leute, die viele, viele Studien lesen, damit Ihr das nicht machen müsst. Und wer möchte, dass das so bleibt, der wird über einen gelegentlichen Kauf der entsprechenden Produkte nicht herumkommen. Es geht also mehr so ums große Ganze.

So. Musste mal wieder raus.

Bestellt der Person an der Kiosk-Kasse bitte schöne Grüße von mir.

P.S.: Mein Kumpel Kai hat mir gerade die Seite 3 der aktuellen PH-Ausgabe als Handyfoto zugeschickt. Ich stehe offenbar in der Zeitung – mit Foto und intimen Details aus meiner Jugend. Was kommt als nächstes???

bookmark_borderStadt-Land-Fluss: Ein Adler überm Wasser und ein Picasso im Uni-Museum

Spaziergang in der Nachbarschaft gemacht. Am Barton Dam haben sie gerade alle Tore geöffnet, was selten passiert. Der Huron River hat dann unterhalb eine tüchtige Strömung.

Oberhalb des Dammes liegt der Barton Pond, aus dem Ann Arbor mehr als zwei Drittel seines Trinkwassers bezieht. Man kann im See aber auch schwimmen und paddeln. Sie haben da sogar einen Ponton, um die Boote leichter ins Wasser zu kriegen.

Gestern haben wir einen Weißkopfseeadler überm Wasser gesichtet. Das sind beeindruckende Tiere, wie man sie in Deutschland einfach nicht zu sehen kriegt. Auf dem Bild unten kann man ihn erahnen, mittig als schwarzen Punkt knapp über den Wolken.

Heute dann als Kontrastprogramm mal wieder Downtown gewesen. Da waren wir lange nicht. Wir arbeiten gerade zu viel. Außerdem: die Pandemie. Egal. Nickis Mutter Edie ist Museumsführerin am Kunstmuseum der Uni. Das ist kein ganz einfacher Job, man muss Unterricht dafür nehmen und all so was. Jedenfalls hat sie für eine kleine Gruppe eine Führung arrangiert und wir waren eingeladen.

Das Museum hat ein paar bemerkenswerte Stücke rumstehen und -hängen. Zum Beispiel ein paar Picassos, wie hier „Two Girls Reading“.

Oder hier die „Standing Figure“ von Giacometti. Ein ganz deprimierendes Stück. Eine Art Todesfuge in Bronze.

Und – zack – schon war es Abend über der Stadt. Es war gut, mal wieder dort zu sein und Menschen zu sehen. In Nickels Arcade hat Nicki sich das angeknackste Display ihres iPhones reparieren lassen. Das Versprechen des Besitzers: In 15 Minuten hat man sein Telefon zurück „wie Gott es wollte“.

Hat tatsächlich geklappt. Wir haben in der Passage noch das eine oder andere Schwätzchen gehalten. Beim Juwelier ist die Eingangstür durch eine Holzplatte ersetzt worden. Das war, wie man hört, nur einer von mehreren Einbrüchen innerhalb der vergangenen Wochen in den Nachbarschaft. Seit den George-Floyd-Protesten hat „keiner mehr Bock, Polizist zu werden“, erzählt uns ein Ladenbesitzer. Das Muster ist immer dasselbe: Man schlägt die Tür ein, stürmt rein, macht die Kasse kaputt und haut schnell wieder ab mit ein paar Hundert Dollar in der Tasche. Es scheint gerade keinen Spaß zu machen, einen kleinen Laden zu betreiben. Selbst in Ann Arbor, der Insel der Glückseligen.

Dann waren wir aber noch im Spielzeugladen in der Main Street, wo zwei mittelalte Männer im Keller rumhingen; Nicki hat sie um ein paar Empfehlungen gebeten und wir haben eine der besten und detailliertesten Beratungen aller Zeiten bekommen. Dann erfahren, dass die beiden gar nicht dort arbeiten, sondern einfach nur die totalen Spielenerds waren. Was soll man dazu sagen? Am Ende siegen Liebe, Freiheit, Enthusiasmus. Oder?

bookmark_borderDie Kojoten kommen!

Hatte jetzt einige Wochen lang die trail camera im Garten hängen. Da sind über Nacht ein paar erstaunliche Tiere vorbeigekommen. Hirsche, Waschbären, ein Stinktier, ein Opossum. Die größte Überraschung waren aber ein Fuchs und mehrere Kojoten. Die Bilder zeigen: Die Räuber haben alle auf dieselbe Stelle im Rasen gepinkelt. Durchtriebene Burschen! Hier ein kurzes Video. Ich hab mir die Kojoten irgendwie furchterregender vorgestellt. Tatsächlich wirken sie auf mich wie niedliche, verspielte Hunde (der Beweis kommt gegen Ende des Videos). Das Geheul am Anfang und am Schluss hab ich übrigens vor ein paar Tagen aufgenommen. Da heulte es mehrfach aus dem nahen Wald.

Noch mehr Tierleben? Bitte sehr! Gestern hab ich im Garten ein wildes Truthuhn gesehen. Dann – huch! – kamen noch mehr. Am Ende 13 Truthühner und ein stolzer Hahn dabei. Theo, der Kater, wollte sich mit ihnen anlegen, ist dann aber bald soooo klein mit Hut wieder ins Haus zurückgekommen. Die Vögel haben ihn richtig in die Ecke gedrängt, ich glaube: Er hatte Angst.

Im Haus kam dann kurz die Frage auf, ob sich das Großgeflügel gelegentlich von Katzenfleisch ernährt. Ich halte das aber für unwahrscheinlich.

Interessant: Am Abend haben sich die Truthühner mit beeindruckenden Flügelschlägen hinauf in die Bäume gemacht. Dort schlafen sie.

Vielleicht haben sie sich heimlich das Kojoten-Video angesehen.

bookmark_borderWilliam kocht am besten

Niemand in meinem Freundeskreis kocht auch nur annähernd so lecker wie William. Wirklich nicht. Neulich war er bei uns zu Besuch und ich hab ihn gefragt, ob ich mit dem Handy aufnehmen kann, was er dabei so macht. Zugegeben. Die Kameraführung und der Schnitt und der Mix sind eine Zumutung und sehr beschämend. Aber: Ich bin so begeistert von dem Jungen, dass ich es unbedingt teilen muss. Guckt’s Euch an. Schickt es an Freunde, die gerne kochen oder die was darüber lernen wollen. Ach so – und Williams österreichischen Sound find‘ ich eh erstklassig.

Ansonsten haben wir wieder Pilze gefunden. Es gibt sehr viele Pilze in diesem Jahr. Es hat gut geregnet und der Oktober ist irrsinnig mild, wir hatten zuletzt jeden Tag zwischen 20 und 25 Grad. Am Wegesrand wächst ein Schopftintling, der exakt so aussieht wie back in Germany.

Im Wald haben wir Hallimasch gefunden, der hier den ungleich schöneren Namen „Honey Mushroom“ trägt. Kirk, ein Pilzführer, den wir zufällig auf dem Parkplatz treffen, hat uns noch ein Stück „Hen of the Woods“ geschenkt. Das ist ein Pilz, den ich aus Deutschland nicht kenne. In Japan heißt er Maitake. Ein sehr guter Pilz mit Biss und Charakter – aber auch reichlich Erde in den feinen Zwischenräumen.

Neben einem Fuchsbau liegt ein Knochen. Wir haben gegoogelt: Es handelt sich um den Unterkieferknochen eines junge Opossums.

Einen Spaziergang zu Aldi gemacht. Erinnert mich an die Heimat. Man muss überhaupt mal was zu den Supermärkten hier sagen. Es läuft im Wesentlichen wie bei uns. Aber am Ende läuft’s dann halt doch ein bisschen anders. Sie packen Dir zum Beispiel die Sachen in Tüten ein. Ich finde das unangenehm. Was soll das? Ich kann das selbst. Es fühlt sich dann ein bisschen an wie in einem dieser Restaurants, die genau die eine Spur zu fein sein wollen und man denkt: Lass mich einfach mal in Ruhe mein Essen genießen. Bei Aldi packt jeder seine Sachen selbst ein. Ah, herrlich!

Auf dem Parktplatz vor dem Markt verwickelt uns jemand in ein Gespräch. Ein Mann, etwa 15 Jahre älter als ich. Aber man kann es schwer schätzen. Ich glaube, er hat an meinen Wanderstiefeln und meinen Klamotten sofort gesehen, woher ich komme. Jedenfalls. Sein Deutsch ist hervorragend, er sagt, er hat in Marburg studiert und viel Zeit in Bremen verbracht. Wir reden über Oldenburg und die schöne Fußgängerzone. Er sagt, dass ihn die Gesundheit nach Ann Arbor treibt. Krebs. Alles probiert. Alles Mist. Und jetzt ist er in dieser kleinen Studie mit 17 Patienten, wo’s um Immuntherapie geht. Eine Art Strohhalm-Gruppe – die Austherapierten können mitmachen. „Was soll ich sagen? Ich bin seit einem Jahr krebsfrei.“ Er sieht tatsächlich sehr gesund aus, sehr lebendig. Er sagt, dass er jetzt im Ruhestand homöopathische Hollunderbeeren anbaut. Ne eigene Farm, irgendwo aufm Land. Irgendwann wird’s vielleicht noch ein Business, wer weiß?

Ich liebe solche Begegnungen. Danach glaub ich wieder für einen Tag an das Gute in allem und dass am Ende irgendwie alles super wird. Und an die Wissenschaft sowieso. Und an Gespräche mit Fremden.

Auf dem Heimweg noch zwei Fairy Doors gesehen. Das erste ist das schönste, das ich bisher in Ann Arbor gesehen habe. Und ich habe einige gesehen. So viel Liebe für jede Kleinigkeit! Ich könnte das nicht. Aber ich weiß es sehr zu schätzen.