Heute geht’s darum, wie man mit gefälschten Anzeigen Geld verdienen kann.
Das Bild oben zeigt die Titelseite des „Ann Arbor Observer„. Das ist das hiesige Stadtmagazin. Und weil ich ja selber meinen ersten Job bei einem Stadtmagazin hatte – dem „Diabolo“ in Oldenburg – guck ich mir solche Druckerzeugnisse immer mit großem Interesse an.
Und man muss zugeben: Neben den üblichen Lokal-Geschichten und dem Veranstaltungskalender hab ich da ein paar Dinge gefunden, die ich klasse fand. Zum Beispiel steht in jedem Heft die „Crime Map“ des Vor-Vormonats: Wo haben welche Verbrechen stattgefunden? Mord, Raub, Einbruch, Autodiebstahl, Sexualdelikte – alles ist da. Der Juni-Ausgabe kann ich entnehmen: Dank Corona ist die Zahl der Gesetzesübertretungen im Vergleich zum Vorjahr erheblich zurückgegangen.
In ähnlichem Stil gehalten ist die Immobilienseite. Man kann sehen, wo gerade Häuser und Wohnungen feilgeboten werden – und zu welchem Preis. Praktisch!
Jetzt komme ich zur cleversten Idee von allen. Das Heft lebt, wie jedes Stadtmagazin, vor allem von den lokalen Anzeigen. Der Observer hat ne Menge davon. Restaurants, Immobilienmakler, Ladenbesitzer – wer was auf sich hält, hat hier ne Anzeige drin. Print hat aber seit je ein Problem: Woher weiß man, ob überhaupt jemand die Anzeige liest? Die Leute vom Observer machen nun dies: In jedem Heft ist eine Anzeige gefälscht. Wer findet sie? Auflösung: im nächsten Heft. Ist das nicht klasse? So verlockt man die Leute dazu, sich jede Anzeige ganz genau anzugucken: Ist das echt? Ist das gefälscht? Im Juniheft schreiben sie, dass beim letzten Mal immerhin 55 Leute die richtige Lösung gefunden haben.
So kann man mit „Fake Ads“ Geld verdienen.
Hm.
Vielleicht sollte man das mit den ganz normalen Zeitungsmeldungen auch mal so machen.
Dieser Tage habe ich zum ersten Mal von einer heftigen, fast chinesischen Überwachungsmethode gehört, mit der die Polizei in Detroit arbeitet – allerdings in einer knallhart kapitalistischen Variante. Die Sache nennt sich „Project Green Light“ und funktioniert so: Als Ladenbesitzer (aber auch: als Schule, Kirche) kauft man sich für 4000 bis 6000 Dollar ein System von Überwachungskameras, dazu kommt ein amtliches grünes Alarmlicht. Das Ding blinkt rund um die Uhr (kein Spaß für die Nachbarn). Jeder kann also sehen: Aha, hier sind Kameras installiert. Die Bilder der Kameras gehen live zur Polizeistation. Dort sieht das Ganze dann so aus:
Derzeit sind knapp 600 solcher Systeme überall in der Stadt installiert.
Es gibt eine offizielle Landkarte, auf der jedes Green-Light-System eingetragen ist.
Die Polizei arbeitet parallel mit einer Gesichtserkennungs-Software, um bei etwaigen Verbrechen sehen zu können, wer die Tat begangen hat. So zumindest die Idee dahinter. Klingt nach einer Überwachung im chinesischen Stil. Allerdings mit dem Twist, dass Firmen und Ladenbesitzer dafür bezahlen. Die Sache ist ein Geschäftsmodell. Den zusätzlichen Schutz durch die Polizei gibt’s nur für diejenigen, die ihn sich leisten können.Man ist bei der (staatlichen) Polizei sozusagen privatversichert. Wär das in Deutschland denkbar? Glaub ich nicht. Aber vielleicht hab ich auch zu wenig Ahnung davon.
Die Technologie der Gesichtserkennung ist ziemlich umstritten. Sie funktioniert nicht besonders gut. Und sie ist rassistisch. Bei Afro-Amerikanern ist die Fehlerrate je nach Algorithmus z.T. 100 Mal höher als bei weißen Gesichtern. Das zumindest ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der US-Regierung. Eigentlich unglaublich, dass man so eine Technologie trotzdem schon im Einsatz hat – vor allem in einer Stadt wie Detroit, in der mehr als 80 Prozent der Einwohner Afro-Amerikaner sind.
Dass die Technologie so fehlerhaft ist, hat vielerlei Gründe. Einer davon: Künstliche Intelligenz ist nur so gut wie die Datensätze, an denen sie trainiert wurde. Wenn man vornehmlich weiße Gesichter in den Trainingsdaten hat, sehen Gesichter mit dunkler Hautfarbe für den Computer sozusagen „alle gleich aus“. Ähnliche Effekte gibt es überall, wo man mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Es ist eines der großen Probleme der Technologie.
Prof. Christian Sandvig von der University of Michigan hat vor einigen Tagen ein Youtube-Video dazu hochgeladen, das er mit der Bürgerrechtlerin Tawana Petty geführt hat. Ich habe das Interview unten verlinkt. Tawana sagt darin: „Am Ende können Leute eingesperrt werden für Verbrechen, die sie nicht begangen haben.“ Sie spricht sogar von „Massenverhaftungen“ Unschuldiger.
Tawana Petty sagt: In einer Stadt in der das mittlere Einkommen bei 27.000 Dollar pro Jahr liegt, senkt man die Kriminalitätsrate, in dem man für bessere Lebensbedingungen und bessere Nachbarschaften sorgt – und nicht, in dem man öffentliche Mittel für noch mehr Überwachung ausgibt.
Eine andere Frage lautet: Hat sich die Sache überhaupt auf das Verbrechen in der Stadt ausgewirkt? Tja. Geht so. Das Projekt läuft seit 2016. Angeblich werden seither weniger Autos geknackt. Einige Ladenbesitzer behaupten, dass sie durch die Kameras mehr Kunden haben und die Leute sich bei ihnen „sicherer“ fühlen (z.B. in den Kommentaren hier). Für den Bürgermeister ist die Sache ein Erfolg. Er träumt davon, die Zahl der Kameras auf 1000 auszuweiten.
Die Sache steht – nüchtern betrachtet – auf sehr wackeligen Füßen. Als Gast aus Deutschland frage ich mich ja bei fast allem hier: Will man das auch bei uns haben? In diesem Fall glaube ich: Man will das bei uns eher nicht haben.
Das Verbrechen schläft nicht – auch nicht in Nickis Garten. Gestern die Vogelhäuschen neu befüllt. Dabei sind ein paar Kerne und Nüsse daneben gefallen. Achselzuckend alles auf dem Rasen belassen und die Trail Camera daneben geschnallt. Vielleicht kommt ja ein Eichhorn vorbei?
Und tatsächlich:
In der Nacht jedoch hat sich ein Räuber eingeschlichen. Die Maske trägt er nicht wegen Covid-19! Dies ist der erste Waschbär, den ich hier überhaupt zu Gesicht bekomme. Er scheint gut im Futter zu stehen. Seine Figur erinnert mich an meine alte Lateinlehrerin. Die Geschäfte laufen offenbar bestens.
Aha. So frisst also ein Waschbär. Cute!
Im Übrigen hat sich ein Blue Jay (Blauhäher) an die Kerne gemacht. Auch er schreckt vor Raub und Mord nicht zurück: Er räumt gelegentlich die Nester anderen Singvögel aus. Außerdem ist er ein Fälscher, ein Meister der Maske, wie ich einem Artikel aus dem „Ornithologists‘ and Oologists‘ Semi-Annual“ von 1889 entnehme. Dort heißt es: „Seine Immitationskünste sind enorm, wir hörten ihn die Rufe von Buteo borealis (Rotschwanzbussard), B Lineatur (Rotschulterbussard) und Falco sparverius (Buntfalke) mit höchster Akkuratesse nachahmen.“ Er tut also so, als wär er ein gefährlicher Raubvogel, um Konkurrenten zu verscheuchen. Clever!
Der schlimmste Verbrecher scheint mir jedoch der Brown Headed Cowbird (Braundkopf-Kuhstärling) zu sein. Dass er seine Eier in fremde Nester legt, habe ich bereits erwähnt. Das ist charakterlich zweifelhaft, aber vermutlich nicht strafbar. Dieses Video zeigt das Cowbird-Weibchen. Sieht harmlos aus. Fast langweilig. Aber: Das ist alles nur Fassade.
Heute hat mich Nicki nämlich auf ein Forschungspapier aus den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ aufmerksam gemacht, zu dem mir nun gar nichts mehr einfällt. Der Titel heißt übersetzt: „Vergeltung im Mafia-Stil durch parasitäre Kuhstärlinge fördert die Akzeptanz ihrer Eier durch Wirtsvögel“. Die Forscher haben nämlich untersucht, was passiert, wenn die geschädigten Vogeleltern (oder mitleidige Vogelfreunde) die ins Nest geschmuggelten Cowbird-Eier entfernen: Die Cowbird-Eltern entdecken, dass ihr Ei fehlt – und verwüsten aus Rache das komplette Nest. Und zwar in 56 Prozent aller Fälle. Die Sache läuft tatsächlich wie bei der Mafia: „Schönes Nest habt ihr da. Wär doch schade, wenn da einer vorbeikommt, und das alles kaputt macht.“ Also seufzen die Wirtsleute und entrichtet das Schutzgeld, in diesem Fall: Sie ziehen das Cowbird-Küken groß und tun so, als wär’s ihr eigenes.
Mehr noch: Manchmal zerstören die Cowbirds auch einfach so die vollen Nester anderer Singvögel. Die müssen dann ein neues Gelege anlegen und schaffen so eine neue Möglichkeit für die Cowbirds, ihr eigenes Ei dazuzuschmuggeln. Sie legen sich sozusagen ihren eigenen kleinen Bauernhof an Wirtsvögel an. „Farming“ sagen die Vogelforscher dazu.
Das Böse ist immer und überall.
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