
So. Am Sonntag hab ich zum ersten Mal Magic Mushrooms genommen. Es war eine leichte Dosis für vorsichtige Anfänger. Ich war auch beim Setting eher besonnen und hatte überdies, um die Erfahrung zu dokumentieren, permanent ein Audio-Aufnahmegerät mitlaufen. Inzwischen habe ich meine freien Minuten dazu verwendet, die Aufnahme zu transkribieren, was mehrere Effekte hatte: Ich habe viele der inneren Bilder ziemlich lebendig wiedergesehen, auch einige der Emotionen in schwächerer Form aber ähnlicher Qualität wiedererlebt. Das war und ist toll, ich kann mir vorstellen, dass das für manche Menschen ein guter therapeutischer Ansatz wäre, der bei der Integration hilft.
Ich werde in den nächsten Tagen etwas dazu schreiben: Welche Erkenntnisse mir beim Abtippen gekommen sind, welche beim Erlebnis selbst, welche Bilder ich gesehen habe und so weiter.
Heute aber mal was vergleichsweise Leichtes, auch für mich selbst. Man will sich nicht permanent überfordern. Ich habe nämlich – Nicki hatte es mir bereits angekündigt – SEHR viel über die Musik geredet, welche mir die klassische Johns-Hopkins-Playlist auf die Ohren gegeben hat.
Um es vorweg zu sagen: Meine Ausdrucksweise war nicht immer fein. Aus Chronistenpflicht lasse ich das oft unverändert und bitte um Verzeihung. Ich befand mich innerlich sozusagen im Krieg, wo in Worten mehr erlaubt ist als zu anderen Zeiten.
Wenn Ihr auf Spotify geht, könnt Ihr auf der Playlist auf das jeweilige Stück klicken und es parallel zur Lektüre laufen lassen, um ein bisschen Kontext zu erschaffen. Ist auch tolle Musik dabei, wirklich.
Manchmal rede ich Englisch, weil Nicki mit mir gesprochen hat, um mich rauszuholen aus den Tiefen. Dann rede ich mit ihr statt vor mich hin.
Also, los geht’s, chronologisch und in Auszügen.
Edward Elgar – Enigma Variationen (1898)
Die Geigen gehen auf Moll gerade, sehr schön, sehr getragen alles.
Fühl mich ein bisschen zittrig.
Oh ja, jetzt kommt Bewegung in die inneren Bilder.
Nur Muster.
Es ist eine weiße, zentrale Rauchwolke.
Jetzt sterben.
Morten Lauridsen – O Magnum Mysterium (1994)
Und das erste Chorstück, es zieht mir auch die Socken aus.
Mir wird ein bisschen schlecht gerade.
What the fuck!
Die Akkorde sind ja der Hammer!
Ich sehe eine Straße durch den Schnee in die Berge hinein. Da ist Wald!
Jetzt ist es wie ein Wasserfall, der unter mir weggeht, es ist alles schwarz, alles monochrom und negativ. Huschhhhhhhh!
Henryk Górecki – 3. Sinfonie, I. Lento (1976)
Die Streicher gehen so auch … Ranken … wie ineinander.
Ist auch tolle Musik.
Es ist ein zittriges Gefühl.
Als würd‘ ich frieren
Ja, ich bin kalt.
Ich bin ganz kalt.
Johannes Brahms – Selig sind, die da Leid tragen (1865)
Mag ich jetzt nicht so
Ah. Brahms. Igitt!
Johannes Brahms – Denn alles Fleisch, es ist wie Gras (1865)
Ich sehe jetzt bedrohliche Dinge aufsteigen. (…)
Es ist wie das Böse. (…)
Es ist sooo riesengroß.
Drachenhaft.
Während die Männer und Frauen bei Brahms singen von Freude oder irgendwas.
Das Dur ist gelogen.
Es ist nur gespielt.
Erbrechen.
Ekel.
Johannes Brahms – Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth (1865)
Alter, was ist das denn für düstere Musik schon wieder.
Johann Sebastian Bach – h-Moll-Messe, Kyrie (1733)
Diese Holzblaströten!!!
Wie viel Gewalt in ihnen drin ist. Dieser Zwang, dieser Zwang, diese Enge!
So viel Gewalt.
Die arme Oboe, Oboe ist Folter.
Wer hat sich das ausgedacht?
Antonio Vivaldi – Gloria“ in D-Dur (1716)
Schön!
Das klingt wie Vivaldi.
Trotzig! Es ist so trotzig.
Man schreit es über die Burgmauern hinweg auf den Feind.
Und man weiß, dass es nicht stimmt.
Es ist so viel kontrafaktisches Singen und Musizieren.
Es ist Kriegsmusik
Vor der Schlacht.
Um sich aufzupushen. (sic!)
Wahnsinn.
I hear the phoniness in major triads and how people felt something completely different when they wrote it.
Johann Sebastian Bach – Komm, süßer Tod (1736)
Okay, jetzt kommt Hellgrün mit den Streichern, ohhhh süüüüüß, ohhhh, ne Flöte.
Und ich höre, ich glaube, da ist ne Flöte drin und fuuuuck, die muss so kämpfen.
Aber sie kriegt sie gerade noch so, oben im Rauch.
Oach, toll!
Hauchzart!
Jaja.
(…)
Ich weiß gar nicht, was diese Blechdinger wollen alle!
Alle Posaunen haben PTSD, wirklich.
Für den Krieg gemacht und jetzt ist Frieden und was macht man mit denen? Und sie wissen nicht mehr, was sie sollen in der Welt. Und … es klingt immer scheiße.
(…)
Ooooochh ist das schön gerade.
Oh Gott.
Och, herrlich, ey, Wahnsinn.
Die Sonne geht auf über den Bergen und ich werde gesegnet.
Ich hab ne Fahne in der Hand. Aber ich kann nicht sehen, was drauf ist, und es weht ein starker Wind von vorne, es ist saukalt.
Wolfgang Amadeus Mozart – Laudate pueri Dominum (1780)
Was machen die da?
Diese Penner!
Ich höre diese Musik und denke: Ihr habt’s nicht kapiert! Euch fehlt so viel!
Ihr lasst die schönen Töne weg in der Mitte und dann kommt dieser Mist dabei raus.
Ich sehe Verhaue aus Fichten und Dunkelheit.
Man wappnet sich wieder.
(…)
Hahhh, ich spüre Tränen.
Jaja, Drohen. Es ist auch Drohen dabei.
Oh, ja, die Musik ist Erbe, es ist Erbe, es sind alte Geschichten, es sind alte, alte, alte Geschichten.
Oh, Scheiße, war das schlimm.
Es kommt alles wieder.
Es ist alles da.
Henryk Górecki – 3. Sinfonie, II. Lento e Largo (1976)
Jemand singt auf Ungarisch. Massiiiiiive Streicher. Fucking Shit. (Lautes ausatmen)
Auch das, das Zusammenklingen. Es ist wie sich großmachen und ein großes Wesen erschaffen. Groß genug, groß genug, jaja.
(…)
(weint laut)
Honey, I felt the quality of the too-earliness of dying.
(weint laut)
„Cry with me“, says the song. „Moan with me.“
Edward Elgar – Serenade in e-Moll, II. Larghetto (1892)
It’s also ridiculous.
Everything is ridiculous, too.
It’s laughable, that’s it!
(lacht laut)
We should be scared every second. And we can also laugh at it.
That’s the whole thing. It’s true at the same moment. Nothing is better.
Honey, that’s the insight. There’s another side.
Something beyond fear.
Pretty amazing.
Gabriel Fauré – Requiem (1887)
The music’s great!
Now’s where the soul enters paradise.
Wolfgang Amadeus Mozart – Klarinettenkonzert in A-Dur, II. Adagio (1791)
That’s music I like.
Mozart.
I feel ashamed.
It’s so pop.
Ha, es ist so seltsam. Ich bin in einer Heiterkeit. In einer Heiterkeit, die fast nicht zu schlagen ist. Wahnsinn! Eine … fast eine metallene Heiterkeit.
(…)
Ich sehe Pfauenfedern.
(…)
Jetzt, jetzt hab ich einen Moment, in dem ich sooo glücklich bin.
Arvo Pärt: Cantus in Memoriam Benjamin Britten (1977)
Oh, jetzt, Kirchenglocken und ineinander sich verwebende … siehste, die Schweine haben tatsächlich Mandalas in die Geigen mit reingemischt.
Ich erzähl mir gerade den Witz, dass man Kriegsgeigen hat.
(lacht laut)
Geigen sind sooo Musik des Friedens.
Ey, Ich möchte ein Stadion haben, in dem völlige Stille herrscht. Und die Geigen spielen Musik in der 20. Minute, wie gespenstisch das wäre! In der 20. Minute. And it scares the SHIT out of everyone. Oder vorm Elfmeterschießen.
Ich weiß nicht, was DAS für Musik ist aber … dünne Spinnweben, jeder Ton.
Jetzt wachsen wieder Dornen aus den Blättern. Vielleicht Zähne. Krallen.
Gefahr. Überall.
Diese Musik sagt dir: Passt auf, Leute! Passt bloß auf, es ist überall! Fuck. Wer hat das bloß geschrieben? Aber das ist wirklich das Greifen von überall nach dir.
(…)
Und jetzt siehst du die ganzen Zähne.
Es ist wieder ein Insekt. Riesengroß.
Ohhh, die Obertöne der Glocke. Es ist schon der Hammer.
Ludwig van Beethoven – 5. Klavierkonzert, II. Adagio (1809)
Wenn das nicht Wien ist, weiß ich auch nicht.
Woah.
Die Harmonien am Ende, tausend Mal gehört, aber es ist schon clever gemacht.
Wände aus Klängen.
Ich glaube, das ist jetzt wirklich ne Nummer zu dolle mit dem Klavier.
Der Klavierspieler ist ja wie ein Zirkuspferd. Wie ein Dressurpferd, das JEDEN Finger einzeln präzise …
Ne!
Es tut mir leid. Pirouette. Neenenene. Buäh! Ich möchte nicht. Es ist sooo viel Zwang und Dressur in dieser Musik.
Fucking Beethoven! Uähhhh!
Es ist so Inhibition.
Ich höre wieder, wie die Flöten KÄMPFEN müssen. Für die Flöten ist das Spiel mit den anderen zusammen eine Tortur.
Ich höre, wie hart es ist, diesen Ton zu halten für die ganzen Holzbläser, die armen Holzbläser tun mir so leid.
Es ist das Lächeln, das falsche Lächeln der Stewardess. Das gequälte, falsche Lächeln der Stewardess ist in der Flöte.
Und der dressierte Dressurmeister am Klavier!
Charles Gounod – Cäcilienmesse, Sanctus (1855)
Ohhh, jetzt kommt aber ein heftiger Chor.
Es gibt mir eine Wärme und ein Gefühl von Stärke, es ist unglaublich.
(…)
Muss ich denn schon WIEDER in den Krieg? Kann ich nicht einfach schlafen?
Ey, wenn DAS ne kleine Dosis, will ich nicht wissen, wie ne große aussieht.
Mir reicht das vollkommen.
Russill Paul – Om Namah Shivaaya (2008)
Und jetzt komm ich in eine Schwerelosigkeit hinein.
Siehste.
Ich habe losgelassen.
Auf einmal spür ich eine Leichtigkeit, eine Schwerelosigkeit … als würde mein Körper schweben für einen Moment.
(…)
Ohhhhhh.
Wie KRASS es sich anfühlt, den eigenen Kopf zu berühren.
OHHHHH!
Meine Arme werden riiiiesenlang dabei.
Shiiiit.
(…)
Ich hab Hunger.
(…)
Ohhh, geile, geile Harmonien.
Krasse Harmonien.
(Fingerschnipsen, singt mit, reibt sich die Hände)
Sind das abgefahrene Harmonien!
Ich tanze, ich tanze in der Küche, ich stehe auf meinen Füße fest.
Oh, jetzt wird’s schnell!
(…)
Ohhh, und noch schneller!
Shuffle!!!
Seid Ihr denn wahnsinnig?
(singt Rhythmus mit)
Krass.
Richard Wagner – Tristan und Isolde, Vorspiel (1865)
This is beautiful music.
Das ist auf jeden Fall coole Musik.
(…)
Ich hab gerade das Horn ne Oberstimme spielen hören, es ist unfassbar gut.
(…)
Okay, was ist das für ne Jahrmarktsmusik jetzt?
Klingt ja wie’n Zirkuskarussell. (sic)
(…)
Das ist hier schon Kapitalismus.
In der archaischen Musik spielen die Musikanten um ihr Leben. Die hier spielen für Geld.
Wolfgang Amadeus Mozart – Ave verum corpus (1791)
Oh.
DAS ist wunderbar. Versöhnlich, mütterlich, bergend.
Tröstlich.
Okay, aber kraaaaassse tiefe Streicher.
Was ist das denn?
Oh. Ave verum corpus Mozart, siehste.
In den Armen der Mutter liegt er. Tot.
Er haut uns das um die Ohren.
Nicht subtil.
Voll in die Fresse.
Super!
Fucking Mozart!
He’s not very subtle, he’s in the face.
I imagine folks like Mahler and all the other Vienna guys after Mozart … they listen to that stuff and think: „Son of a bitch! I could have done that!“
(…)
ALTER! Der Akkord hat mich gerade so weggehauen!
Gustav Mahler – 5. Sinfonie, IV. Adagietto (1904)
Haaaah! Nein! Sie spielen Mahler
(singt mit)
Ahhhh, herrlich … wunderbar!
(singt)
(atmet tief)
Im Moment fühlt es sich an, als wäre ich in Kontrolle.
Ohhhhh.
(singt)
Und es ist dann schon wieder der Schmelz.
Peter Alexander … ist nur einen Schritt weiter in manchen Passagen.
Wahnsinn!
(…)
Jetzt wird es schon schwächer.
(die Wirkung der Substanz)
<Ende>
Interessant, oder?
Es gab eindeutig Phasen der Überwältigung.
Und am Ende wird daraus eher ein freieres Assoziieren und Klugscheißerei.
Hörspielidee:
Der Typ, der Pilze nimmt, auf seinem echten Trip. Die Musik. Dabei vieles, was nicht in Worte, sondern Sound gefasst wird. Ein Trip eben, im Kopf des Protagonisten.
Zweite Ebene:
Der Typ, der den Typ beobachtet, der die Pilze nahm. Mal amüsiert, mal analysierend, mal besorgt.
Dritte Ebene:
Der Typ (weibl.), der erzählt bekommt, wie einer auf Pilztrip beobachtet wurde (Dialog).
These: Die nüchterne Welt existiert nicht ohne die Welt der Drogen. Unbeeinflusstes Denken ist eine Illusion.
Fazit: Leben ohne Substanzen ist besser?!
Wow, da steckt ne Menge drin. Klingt wie’n super Hörspiel.
Zum Fazit … vielleicht ist das Leben ohne Substanzen wirklich besser. Vielleicht aber auch nicht. Ich knabbere noch immer dran rum und komme jeden Tag zu neuen Gedanken.