Als Darwin über das Heiraten nachdachte … und Freud das Schlafzimmer vergaß
Habe heute aus beruflichem Anlass das Buch „Risiko“ von Gerd Gigerenzer gelesen. Gigerenzer war über mehrere Jahre Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Er gehört zu den „großen Namen“ der deutschen Psychologie.
In seinem Buch (und auch sonst in seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen) schreibt er eine Menge darüber, wie wir unsere Entscheidungen treffen. Außerdem erzählt er gerne Geschichte. Etwa die Schnurre, wie Charles Darwin darüber nachgedacht hat, ob er jetzt heiraten soll oder lieber nicht. Und die kann ich euch einfach nicht vorenthalten.
Also. Auf Seite 190 in Gigerenzers Buch finde ich folgende Liste, mit der sich Darwin dazu überredet, seinen Nachen in den Hafen der Ehe zu paddeln.
„Kinder – (wenn es Gott gefällt) – ständige Gefährtin (& Freundin im Alter), die sich für einen interessiert, Objekt zum Liebhaben und Spielen – jedenfalls besser als ein Hund (sic!) – ein Heim und jemand, der sich darum kümmert – Reiz von Musik und weiblichem Geplauder. Dies gut für die Gesundheit. Zwang, Verwandte zu besuchen und zu empfangen, aber furchtbarer Zeitverlust.
Mein Gott, ein unerträglicher Gedanke, das ganze Leben immer nur zu arbeiten, wie eine geschlechtslose Arbeitsbiene, nur Arbeit und nichts sonst. – Nein, nein, geht nicht. – Stell dir vor, den ganzen Tag allein in verrauchtem, schmutzigen Londoner Haus! – Mal dir nur aus: eine nette, zärtliche Frau auf dem Sofa, ein gutes Feuer im Kamin, Bücher und Musik vielleicht – vergleich das mit der schmuddeligen Realität in der Grt. Marlboro’s St.“
Weiter schreibt Gigerenzer:
„Darwin kam zu dem Ergebnis, dass er heiraten sollte, und schrieb unter die linke Spalte (jene, die ich zitiert habe, J.M.): > Heiraten – Heiraten – Heiraten – Q.E.D.< (…) Im Jahr darauf heiratete Darwin seine Cousine Emma Wedgwood und hatte schließlich zehn Kinder mit ihr.“
Da fällt mir, wo wir schon mal beim Thema sind, zwanglos die Anekdote aus dem Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Martha Bernays ein. Die beiden waren verlobt und Freud plante die Hochzeit. In einem Brief beschreibt er seiner Angebeteten – sie wohnt in Hamburg – den Schnitt der Wiener Wohnung, in welche die beiden ziehen sollen. Martha schreibt zurück:
„Die Wohnungsbeschreibung von Dir heute, mein Schatz, macht mir gar keine Lust, ein Mann, der vier Jahre verlobt ist und bei der Aufzählung der Räume das Schlafzimmer vergißt (…)?! Du zählst auf: Ordinationszimmer, Wartezimmer und Wohnzimmer, Badezimmer, Küche, Dienstbotenzimmer und Vorraum. Da ich nun niemals gewöhnt war, in der Badewanne zu schlafen, so bleibt mir nur übrig, mir in Deiner Nähe ein freundliches Cabinet zu nehmen, aber einsam wird es doch immerhin für mich sein, und für Dich?“
Wie Freuds Mutter auf das Schreiben reagiert hat, ist nicht überliefert.
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