
Hab ja neulich von meinem Arztbesuch erzählt, weil mein Knie zwickt. Jetzt war ich zum ersten Mal hier in Ann Arbor bei der Physiotherapie. Auch wieder im selben Gebäude, der Sportmedizinischen Abteilung der University of Michigan. Hab aber aus Versehen auf der falschen Seite des Gebäudes geparkt. Mein Fußweg ging deshalb vorbei am Haupteingang von Domino’s Pizza.

Dann durch lange Flure zur Sportabteilung geirrt. Überall Teppichboden. Die Stimmung im Gebäude ist sehr ruhig, sehr gelassen. Man hat das Gefühl, dass genügend Geld im System steckt und die Menschen, die hier arbeiten, nicht zu darben brauchen.

Den Aufkleber auf dem Foto ganz oben krieg ich am Eingang zu den Sportmedizinern verpasst. Ich hab vorher per Internet angegeben, dass ich geimpft bin und keine Covid-Beschwerden habe.
An der Anmeldung erstmal Verwirrung. Ein Ausländer! Die Sache mit der Versicherung läuft also anders als sonst. Außerdem hat sich meine Reiseversicherung noch nicht mit den hiesigen MedizinerInnen in Verbindung gesetzt. Seltsam. Ich hab viele Telefonate mit den Leuten in Deutschland geführt, sehr viele Berichte und Papiere und Unterlagen geschickt. Hm. Ich zahl die Sache also erstmal selbst per Kreditkarte. 293 Dollar für eine Stunde Physiotherapie. Stramme Preise sind das hier! Jedenfalls signalisiert die Frau hinterm Computerbildschirm Verwirrung. Ihre ältere Kollegin sitzt daneben und spring ihr bei. Sie liest vor: „Jochen Metzger from Germany. He knows what’s going on (very nice man).“
Ich so: „Ey, die Sache mit dem „very nice man“ hast Du Dir doch eben erst ausgedacht!“
Sie so: „Nein, im Ernst. Hier steht’s!“ Sie zeigt auf den Monitor. Ich freue mich darüber und denke, dass die knapp 300 Flocken ja jetzt schon spitzenmäßig investiert sind.
Ich setze mich in den Wartebereich und warte. Menschen werden aufgerufen. Neue Leute betreten den Raum. Auch sie werden aufgerufen. Und so geht es immer weiter. Ich hingegen warte noch immer. Nach 40 Minuten geh ich zum Schalter und frage, ob mit meinem Termin alles okay ist. Die Frau, die mich noch eben mit ihrem „very nice man“ um den Finger gewickelt hat, schaut mich irritiert an. „Und Sie sind …?“ Ich nenne meinen Namen. Sie lässt ihn sich buchstabieren, sie tippt, sie schaut und schlägt dann die Hände überm Kopf zusammen. „Meine Kollegin hat vergessen, bei der Physiotherapeutin durchzuklingeln.“
Ich setz mich also wieder hin. Vier Minuten später kommt die Physiotherapeutin. Sie entschuldigt sich. Sei halt ein großer Laden. So was passiere schon mal. Außerdem habe sie jetzt keine Zeit mehr. Die nächsten Patienten warten schon. Aber. Eine Kollegin springt ein. „Die ist auch richtig super.“ Ich nicke und zeige Verständnis. Ja. So was kommt vor.
Weitere fünf Minuten später holt eine andere Physiotherapeutin mich ab. Sie heißt Karen und ist sehr freundlich. Sie führt mich ein Stockwerk tiefer in eine Art Turnhalle, in der viele Geräte und Aufbauten stehen, an denen Menschen Sport treiben. Daneben dann ein Extrabteil mit mehreren Behandlungsliegen. Ich trage Shorts, damit man mein Kniegelenk besser sehen kann. Ich gehe auf und ab. Ich gehe die Treppe hoch und die Treppe wieder runter. Ich gehe vorwärts auf Zehenspitzen, Rückwärts auf den Hacken. Bei all dem stellt Karen viele Fragen. Was ich sonst so treibe, welchen Sport, wie oft, wie intensiv, Vorverletzungen, der ganze übliche Kram.
Danach krieg ich Übungen, während sie immer mal wieder den Zustand einzelner Muskeln kommentiert. „Das hier ist ne Maschine“ (meine rechte Wade). „Hier könnte ein bisschen mehr sein“ (rechter hinterer Oberschenkel).
Am Ende komme ich aus der Sache raus mit verschiedenen Kräftigungsübungen. Ich krieg sie alle aufgeschrieben und mit Foto ausgedruckt, dazu noch die Zahl der Sätze und Wiederholungen. Stoff für ein Mal 20 und einmal 10 Minuten pro Tag. Ich mach das jetzt schon seit ein paar Tagen und merke bereits, wie ich überall stärker werde. Ein Wunder, dieser Körper.
Auf der Homepage der Uniklinik hab ich jetzt auch meinen privaten Account, wo ich all die Berichte nochmal in Ruhe durchlesen kann. Nicht alle Einzelheiten darin stimmen. Es ist schwer, gut zuzuhören und sich alles korrekt aufzuschreiben. Aber immerhin: Im Großen und Ganzen scheint mir die Sache so in Ordnung zu gehen.
Auf dem Weg zurück zum Auto frag ich die Passanten nach der Bisonherde, die hier irgendwo grasen soll. Man schickt mich hierhin und dorthin. Keine Bisons. „Manchmal verstecken sie sich hinterm Hügel“, sagt ein älterer Mann. Immerhin finde ich ein Schild, das tatsächlich für die Existenz der Hornträger spricht.

Ein paar Wiesen weiter steht ein Esel in der Landschaft rum und wartet auf seinen Friseurtermin.

So. Und jetzt warte ich, dass das Knie langsam besser wird.
Und ich bin gespannt, ob meine Versicherung mir den Spaß bezahlt. Werden sie? Werden sie nicht? Noch ist die Sache nicht entschieden – ich nehme weiterhin Wetten an.
Eventually your insurance will pay…..the operative word being ‚eventually‘, because aren’t they in covenant with you to do that? You will also get your typing fingers exercised before this is over.