bookmark_borderHilfe, ich bin Teil einer Trendsportart!

Heute war ich nach Feierabend wieder beim Pickleball. Man denkt sich da ja nix Böses bei.

Aber jetzt hat mich jemand auf einen Artikel in der New York Times aufmerksam gemacht. Dort wird Pickleball doch tatsächlich zu einer der größten Trendsportarten des Jahres erklärt. Die Entertainerin Ellen DeGeneres ist eine begeisterte Spielerin. Neulich hat sie sich in ihrer Show wohl über den entsprechenden Muskelkater beklagt: „Jeder, der Pickleball spielt, wird mich verstehen.“

Gespielt wird auf einem eher kleinen Feld – ein Tennisplatz ist etwas drei Mal so groß. Das Netz ist rund 90 cm hoch. Das Coole an dem Spiel: Anders als beim Tennis oder Tischtennis hat der Ball Löcher und ne Menge Luft in der Mitte. Das macht ihn langsam – und den Menschen, der ihm nachjagt, ungewohnt schnell. Pickleball gibt einem das Gefühl, wieder jung zu sein. Und das fühlt sich super an.

Zwei Regeln finde ich besonders spannend. Zum einen gibt es eine so genannte „two bounce rule“. Das heißt: Man muss den Aufschlag einmal aufditschen lassen – wie beim Tennis. Aber! Der Aufschläger muss den Return danach AUCH einmal aufditschen lassen. Man kann also nicht wie Boris Becker Serve-and-Volley spielen. Die zweite interessante Regel ist die so genannten „Kitchen“-Linie: In den sieben Fuß vor dem Netz – bei uns ist das eine grüne Zone – darf man keinen Volley spielen. Man kann sich also nicht direkt ans Netz stellen und einfach alles wegballern, was da so angeflogen kommt. Die beiden Regeln führen dazu, dass der Aufschlag eher ein Nachteil als ein Vorteil ist. Und dass das Spiel am Netz nicht so ganz krass das Spiel dominiert.

Was ich auch bemerkenswert finde, ist der Spirit in diesem Sport. Alle strengen sich total an und kämpfen und alles. Aber schon eine Minute nach dem Spiel hat man vergessen, ob man jetzt eigentlich gewonnen oder verloren hat. Das finde ich super, hab aber keine Ahnung, woran das eigentlich liegt. Auch so eine soziale Norm. Aber woher kommt sie? Ich höre schon, wie die ersten Soziologie-Doktoranden ihre Griffel spitzen. Als erfahrener Tischtennisspieler kann ich jedenfalls versichern: Diese Entspanntheit ist nicht allen Rückschlagsportarten zueigen. 😉

Das sind William und Jackie beim Einspielen

Hab ich eigentlich schon erzählt, dass ich im vergangenen Jahr beim Camp der hiesigen Uni eine Urkunde für Tennis und Pickleball bekommen habe? In beiden Disziplinen: nicht fürs Können – aber für Enthusiasmus. Und die besten Witze zwischen den Ballwechseln.

Und nochwas finde ich klasse. Anders als beim Tennis gibt es in diesem Spiel praktisch keine Hürden. Pickleball kannst du sofort spielen. Ohne Talent. Ohne Trainerstunden. Du brauchst zwei Schläger, einen Ball, ein Feld – und schon geht’s los.

Hier in Ann Arbor gibt es mehrere Felder, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Du fährst einfach hin und spielst. Die Plätze gehören der Stadt. Kein Vereinsbeitrag, keine Anmeldung, gar nix.

Manchmal fahr ich einfach so aus Bock zum Platz im hiesigen Leslie Park. Da ist immer jemand am Daddeln. Und spätestens nach fünf Minuten fragt wer: „Hey, Du, Fremder, willst Du mitspielen?“ Und einige von diesen Fremden sind inzwischen auch keine Fremden mehr.

Herrlich ist das.

Ich bin mir sehr, sehr sicher: Pickleball würde auch in Deutschland super laufen. Alle Tennisspieler, die sich nicht mehr ganz so doll abrackern wollen, aber immer noch ein Händchen und ein Auge haben – die wären sofort dabei. Auch Tischtennisleute wie ich. Oder Badmintonspieler. Und überhaupt. Würde mich nicht wundern, wenn in ein paar Jahren auch die Süddeutsche, die Frankfurter Allgemeine oder die taz über Pickleball berichten: Hier kommt die neue Trendsportart.

bookmark_borderSchamlose Eigenwerbung

Heute ist – nach etwa einem Monat Pause – mal wieder Zeit für schamlose Eigenwerbung. Diese Woche erscheint die August-Ausgabe von Psychologie Heute. Darin findet sich auch mein Porträt der Psychologin Kate Sweeny von der UC Riverside (acht Seiten).

„Der Verkehr in Südkalifornien ist der blanke Irrsinn. So ist es auch an diesem Tag, wenige Wochen bevor Corona die Straßen leerfegen wird. Auf den sechs Spuren der State Route 60 wälzt sich Wagen an Wagen aus Los Angeles hinaus ins Landesinnere. Doch dann, nur wenige hundert Meter nach der Abfahrt 32 A lande ich jäh in einer friedlichen Gegenwelt. Die renommierte University of California, Riverside ist eine Art Wohlfühlpark der Gelehrsamkeit. Mit hübschen Grünanlagen, vorzeigbaren Restaurants und freundlichem Auskunftspersonal an den Parkplätzen.“

Genau dort – in der Nähe von Los Angeles – habe ich Kate Sweeny besucht und dann später auch ihren Vortrag auf der SPSP-Konferenz in New Orleans gehört.

Kate ist ziemlich cool, eine sehr sympathische Zeitgenossin. Man freut sich für ihren Erfolg. Sie hat sich schon als junge Professorin ihr eigenes Forschungsfeld erschlossen. Kate erforscht nämlich, was mit unserem Innenleben passiert, wenn wir auf potentiell miese Nachrichten warten müssen. „Warten unter Unsicherheit“ nennt sich das. Etwa, wenn der Befund einer Krebsdiagnose ansteht, ein Examensergebnis, die Rückmeldung nach einem Vorstellungsgespräch und dergleichen. Ich möchte den Artikeln allen empfehlen, die so etwas gerade umtreibt (oder die jemanden kennen, der gerade in so einer Lage steckt). Kate hat nämlich ein paar Dinge gefunden, die einem das Warten erleichtern – oder zumindest dann später das Verarbeiten der Nachricht selbst.

Man kann das Heft natürlich ganz traditionell am Kiosk oder per Abo kaufen. Die einzelne Geschichte gibt’s aber auch hier im Internet – allerdings nur den Anfang, der Rest steht hinter einer Bezahlschranke.

Kleiner Fun Fact noch: Bei den Psychologen an der UC Riverside ist es üblich, gemeinsam eine gute Flasche zu köpfen, wenn jemand seine Promotion abgeschlossen hat. Dann unterschreiben alle und das Ding landet in der Fakultätsbibliothek als Andenken. Süß, oder?

Außerdem hab ich erfahren, dass in der Juli-Ausgabe von Readers Digest eine Geschichte über Chronobiologie von mir erschienen ist. Auch hier derselbe Trick: Im Netz gibt’s nur einen Anschmecker. Die ganze Geschichte steht dann im Magazin, das man für Geld kaufen muss.

Was noch? Ach ja. Dieser Tage habe ich zusammen mit der großartigen Christiane Loell von P.M. Fragen&Antworten ein paar Folgen für den P.M.-Podcast „Schneller schlau“ aufgenommen. Dabei ging’s um medizinische und psychologische Fragen. Hat großen Spaß gemacht. Wann genau die Folgen live gehen, weiß ich nicht so genau. Ist aber auch egal. Ich würde jetzt schonmal reinklicken. Die Podcastreihe lohnt sich: Jede Folge dauert nur ein paar Minuten und man wird garantiert nicht dümmer davon.

bookmark_borderEndlich bewiesen: „Nicht alle Mercedes-Fahrer sind Arschlöcher“ … und andere Studien

Für meinen Job lese ich jeden Tag wissenschaftliche Studien. Manchmal guck ich mir auch an, was Wissenschaftler einander in den Sozialen Medien so zuspielen. Heute zum Beispiel haben ein paar Psychologen auf Facebook eine Diskussion über den lustigsten wissenschaftlichen Aufsatz der vergangenen Jahre angezettelt.

Dieser Debatte verdanke ich Einsicht in eine bemerkenswerte Untersuchung der Universität Helsinki. Dort hat man tatsächlich herausgefunden, dass nicht alle Mercedes-Fahrer Arschlöcher sind. Die Studie trägt den schmissigen Titel „Not only assholes drive Mercedes. Besides disagreeable men, also conscientious people drive high‐status cars“. Die Forscher haben dafür die Persönlichkeit von mehr als 1800 finnischen Autobesitzern vermessen. Tatsächlich ist – wie man intuitiv schon ahnen konnte – die Arschloch-Dichte bei großen Autos besonders hoch. Man findet aber auch viele sehr gewissenhafte Leute unter den Fahrern von Luxusmarken („gewissenhaft“ heißt: sowohl fleißig als auch ordentlich). Dass Leute mit dicken Autos besonders rücksichtslos fahren, so die Forscher, liegt also nicht daran, dass Geld den Charakter verdirbt. Es ist eher so, dass rücksichtslose Leute sowohl rücksichtslos fahren, als auch gerne hinter dem Steuer großer Autos sitzen, weil sie eben gerne mit ihrem Reichtum prahlen (auch wenn sie womöglich gar nicht reich sind). Ein Glück, dass wir das endlich mal geklärt haben.

Ebenfalls aus Skandinavien stammt ein Aufsatz aus dem Jahr 2015, der seinen Humor aus ähnlichen Scherz-Regionen bezieht. Zwei Biologen der norwegischen Universität Bergen gehen darin der Frage nach, warum sich im Laufe der Evolution überhaupt Arschlöcher entwickelt haben. Und zwar nicht im metaphorischen Sinne. Ihr Aufsatz, veröffentlicht im „Zoologischen Anzeiger“, trägt den die verspielte Überschrift „Getting to the bottom of anal evolution“. Die Sache scheint allerdings kompliziert zu sein. „Die evolutionären Ursprünge des Enddarms mit Analöffnung bleibt unklar“, konstatieren die Autoren mit fühlbar resigniertem Unterton. Aus der Richtung ist also noch mit einigen Überraschungen zu rechnen.

Bereits im Jahre 2011 haben Forscher aus Kalifornien ein Paper über die chemischen Prozesse auf dem Planeten Uranus publiziert. Klingt harmlos. Dass die Wortwahl in der Überschrift – zumindest phonetisch – einen Aufsatz über die Entstehung von Flatulenzen nahelegt, dürfte jedoch kaum ein Zufall sein:Chemical processes in the deep interior of Uranus“. Bei diesen Wissenschaftlern scheint immer noch Zeit für den einen oder anderen präpubertären Scherz zu sein!

Genug jetzt mit Pippikacka-Wortspielen (obwohl es noch einige zu zitieren gäbe). Zwei lustige Studien hab ich aber noch (für heute). Die erste befasst sich – warum auch immer – mit der Intelligenz und Handkraft von orthopädischen Chirurgen und Anästhesisten. Der Titel heißt übersetzt: „Orthopädische Chirurgen – stark wie ein Ochse und fast doppelt so schlau?“ – auf so was kommen nur die Briten. Das Ergebnis der Studie: Die untersuchten Chirurgen waren im Durchschnitt nicht nur intelligenter, sondern auch stärker als die Anästhesisten. Kein Grund zum Feiern für die Weißkittel mit dem Skalpell. Denn insgesamt, so heißt es im Aufsatz, waren „die Intelligenzwerte niedriger als man das bei Profis aus der Medizin hätte erwarten können“.

Das letzte Paper hat schon locker 15 Jahre auf dem Buckel, ist aber immer noch toll. Die Autoren haben sich die Mühe gemacht, Überschriften aus biomedizinischen Fachartikeln auf literarische Wortspiele hin zu überprüfen. Die Suche hat unglaubliche 1400 Shakespeare-Zitate zutage gefördert! Auch Bibelzitate waren beliebt, ebenso kluge Worte von Lewis Carroll und Hans Christian Andersen. „Ob man damit Leser gewinnt oder häufiger zitiert wird, ist unklar, es gibt gewiss bessere Wege, auf sich aufmerksam zu machen“, rügt der Aufsatz.

Gar so streng will ich nicht sein. Mediziner sind auch nur Menschen. Und Menschen mögen Bücher. Und Witze. Man soll ihnen die Wortspiele lassen. Damit Leute wie wir sie lesen und sammeln können. Amen.